Erst Putin, jetzt Trump: Doppeltes Appeasement des Westens

Während Russland die Ukraine bombardiert, verweigert Trump Sanktionen – und Merz lobt ihn als Freund. Eine Analyse über selektive Blindheit und das doppelte Appeasement des Westens.

Erst Putin, jetzt Trump: Doppeltes Appeasement des Westens

Trump ist blind für Putins Bomben. Merz ist ab sofort blind für Trumps Blindheit. Beide sind mit sich zufrieden und nennen das: Diplomatie.

Es muss sich um eine neue Form selektiver Sehschwäche handeln. Eine, die vor allem Spitzenpolitiker befällt.

Donald Trump zum Beispiel: Er sieht nichts – jedenfalls nicht, wenn es um Putin geht.

Dass Russland in der Nacht zu Freitag sechs Menschen getötet und 80 verletzt hat? Das müsse man verstehen, so der US-Präsident: Die Ukraine habe dem russischen Präsidenten Wladimir Putin schließlich allen Grund geliefert, das Land in Grund und Boden zu bombardieren.

Trump bezieht sich dabei auf die Operation Spinnennetz, bei der dem ukrainischen Geheimdienst ein großer Erfolg bei der Ausschaltung russischer Kriegsbomber gelang – mit denen die Russen täglich die Zivilbevölkerung in der Ukraine niedermetzeln und terrorisieren. Die Ukraine aber hat allerdings rein militärische Ziele getroffen, ein vollkommen legitimes Mittel, um sich gegen den Aggressor zu wehren. Trump „sieht“ das aber anders und erkennt noch immer keinen Grund, den Vorschlägen seines eigenen US-Senats zu folgen und harte Sanktionen gegen Russland zu verhängen.

Denn wehe, die Ukraine bewegt sich!

Wenn ihr – die angeblich keine Karten hat – ein militärischer Coup gelingt, dann wiederum springt Trumps eingebautes Brennglas an – und plötzlich ist die Ukraine in seinen Augen mindestens genauso schuld an diesem laut Trump „Blutbad“ von Krieg wie Russland, wenn nicht noch mehr.

In dieser Logik ist es auch folgerichtig, dass Trump es tunlichst vermeidet, China vors Knie zu treten, obwohl Xi freundlich lächelnd und „völlig neutral“ Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt.

Stattdessen kippt sein Sehfehler zwischenzeitlich in eine Art Leerlaufmodus: Dann spielt er den brutalen Krieg, den Russland nun schon im vierten Jahr gegen die Ukraine führt, als Kinderrangelei herunter, bei der sich zwei Streithansel im Park in der Wolle haben. Man ließe sie eine Weile machen – und ziehe sie dann auseinander. So lebt es sich dann leichter, wenn man die Toten in der Ukraine prima ausblenden kann.

Und was macht Friedrich Merz, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland?

Er wiegelt seit seinem großen Auftritt im Oval Office ab.
Gibt ein Gebot an alle raus, zukünftig nicht mehr mit gerümpfter Nase über Trump zu reden.
Er, Merz, wurde schließlich von Trump in den Rang eines Freundes erhoben.

Also schweigt man lieber zu Trumps zynischem Gleichsetzen von Opfer und Täter – formuliert anschließend allerdings durchaus markig seine eigene Meinung gegen Russland, ohne dabei den US-Präsidenten zu düpieren, nur um am Ende des Tages voll und ganz auf der Linie des US-Präsidenten mit integrierter Sehschwäche zu beharren.

Das ist nicht bloß diplomatische Vorsicht – das ist eine doppelte Kapitulation.
Erst vor Trump, aus Angst vor Zurückweisung. In der Logik dann auch vor Putin aus Angst vor Eskalation mit dem Weißen Haus.
Beides untergräbt jede klare Linie – und macht aus westlicher Führungsstärke einen Bückling mit NATO-Sticker am Revers.
Das ist doppeltes Appeasement wider besseres Wissen: bezüglich Putin – und nun auch noch Trump.
Eine doppelte geopolitische Rückgratverrenkung, die so tut, als seien Samthandschuhe gegenüber einem Despoten im Weißen Haus und damit auch gegenüber dem Kreml eine Lösung – und nicht das, was sie ist: ein Schwanz einziehen aus niederen Beweggründen, damit Trump nur auch ja nicht böse mit uns ist, weil wir doch lieber nicht so viel Geld ausgeben wollen, um uns unabhängig von den USA mit allem selbst zu schützen. Denn das wäre weit teurer als die 5%-Zusage gegenüber der NATO.
Da muss die Ukraine natürlich Verständnis haben – aber wir formulieren natürlich trotzdem regelmäßig markige Worte gegenüber Putin, versprochen.

Trump schaut weg, wenn Putin mordet.
Merz schaut weg, wenn Trump verharmlost.

Es lebe die transatlantische Freundschaft – auch wenn sie brandgefährlich ist.

Denn ein Blinder, der einen anderen Blinden um Führung bittet, landet am Ende nicht bei Frieden.
Sondern in der nächsten Katastrophe.