Europa muss sich jetzt vor die Ukraine stellen – und alle weiteren Trump-Verhandlungen beenden
Europa darf nicht mehr mitmachen – und damit indirekt zulassen, dass die Ukraine weiter in diesem Schraubstock zwischen Trump und Putin eingeklemmt bleibt.
Hier ist die harte Wahrheit:
Die USA unter Trump sind bereit, ihr eigenes Recht zu brechen, um Putin einen politischen Sieg zu verschaffen. Das ist inakzeptabel. Aber es passiert.
Das entbindet Europa von nichts. Im Gegenteil.
Wir haben unsere eigenen Sanktionen. Sie sind unabhängig von Washington. Wir können sie aufrechterhalten – und wir müssen es.
Wir haben unsere eigenen Verpflichtungen. Das Budapest Memorandum ist kein amerikanisches Hobbyprojekt. Es ist Völkerrecht – von uns Europäern, namentlich von Großbritannien, mitgetragen.
Und wir haben eigene Sicherheitsinteressen.
Ein „Frieden“, der Putin belohnt, ist keine Stabilisierung. Er ist die Einladung zum nächsten Krieg. Nicht in zehn Jahren. In zwei.
Putin wird aber nicht mit Panzern vor dem Weißen Haus auftauchen. Er wird sie ins Baltikum schicken. Nach Moldau. Nach Polen.
Das ist keine Theorie. Das ist Geografie.
Trump wird tun, was er angekündigt hat – weil er es kann. Weil politische Lager in den USA Recht nach Gusto auslegen und weil sein Supreme Court im Zweifel Trump deckt.
Gehen wir also von dem aus, was wir sehen: Trump wird weiterhin US-Recht ignorieren, den Kongress übergehen und Putin einen Sieg schenken, den Russland militärisch nicht erreichen konnte.
Aber er weiß, dass er sich außerhalb des Rechts bewegt.
Deshalb verhandelt nicht einmal der Außenminister und Nationale Sicherheitsberater Marco Rubio als Hauptakteur.
Deshalb wurde Keith Kellogg, der offiziell als Special Envoy nominiert wurde, vom Kreml als „zu pro-ukrainisch“ abgelehnt und systematisch an den Rand gedrängt.
Stattdessen schickt Trump Steve Witkoff – einen Immobilieninvestor, offiziell „Middle East Envoy“, de facto aber in diese Gespräche eingebunden – und seinen Schwiegersohn Jared Kushner, der keine offizielle Regierungsfunktion hat.
Ein Geschäftsmann ohne diplomatische Erfahrung und ein Familienmitglied ohne Mandat saßen bei einem mehrstündigen Treffen mit Putin im Kreml am Tisch – und verhandelten nun in Berlin mit Selenskyj, jenseits regulärer diplomatischer Kanäle
Das ist kein Zufall.
Das ist der klassische Joker der „plausible deniability“: Wenn es juristisch eng wird, waren es „nur Verhandler“.
Denn der US-Kongress hat nach 2014 – nach der Annexion der Krim – ein legislatives Minenfeld gebaut, um genau solche Deals zu verhindern: CAATSA, Ukraine Freedom Support Act, SSIDES.
CAATSA Section 216 gibt dem Kongress ein Vetorecht bei jeder „signifikanten Änderung der US-Politik gegenüber Russland“. Die Anerkennung russischer Gebietsgewinne ist die Definition von „significant“. Das würde Congressional Review auslösen – genau das versucht Trump zu umgehen.
Alle diese Gesetze binden die USA legislativ an die territoriale Integrität der Ukraine.
Alle machen eine Anerkennung russischer Gebietsgewinne rechtlich toxisch.
Alle zwingen den Präsidenten zur Zertifizierung von Bedingungen, die Russland nicht erfüllt – und bei einem Gebietsdeal nie erfüllen kann.
Trump sitzt in einem Käfig, den der Kongress gebaut hat. Er wird versuchen, ihn aufzubrechen. Aber dann bricht er Bundesrecht.
Das Berliner Statement vom 15. Dezember spricht von „Konvergenz" zwischen USA, Ukraine und Europa. Doch hinter den Kulissen drängten US-Verhandler die Ukraine, den restlichen Donbas abzugeben – „It's a bit striking that the Americans are taking the Russians' position", so eine Quelle gegenüber AFP.
Das ist keine Konvergenz. Das ist Kapitulation – verpackt in diplomatische Prosa.
Europa sollte sich fragen, warum es diesen Rechtsbruch mitträgt – und warum es davor die Augen verschließt.
Doch es ist nicht nur ein juristisches Problem. Es ist ein fundamentaler kategorialer Fehler.
Steve Witkoff schaut auf die Ukraine wie auf ein notleidendes Objekt. Ein Distressed Asset.
In der Immobilienwelt saniert man nicht um jeden Preis. Man liquidiert Teile, um den Rest zu retten. Man trennt sich von Verlustbringern, um den Kern zu behalten.
Übertragen auf die Ukraine heißt das:
Der Donbas ist das unrentable Stockwerk. Man gibt ihn auf, um Kyjiw zu behalten.
Das ist der eigentliche Clash: Völkerrecht wird behandelt wie Insolvenzrecht.
Souveräne Staaten wie Konkursmasse.
Territoriale Integrität wie eine Bilanzposition, die man „optimiert“.
Witkoff verhandelt nicht über Frieden.
Er verhandelt über die Abwicklung eines Staates.
Und er tut es mit einer Sprache, die nach Pragmatismus klingt: „Realismus“, „Kompromiss“, „Win-Win“.
Doch ein souveräner Staat ist kein bankrottes Hotel in Manhattan.
Grenzen sind keine Verhandlungsmasse. Völkerrecht ist kein Geschäftsmodell.
Dann kommt die finanzielle Lüge.
Trumps Verhandler sprechen von einem 500-Milliarden-Dollar-Wiederaufbaufonds, einem „Sovereign Wealth Fund“. Klingt beeindruckend. Er existiert nicht.
Die eingefrorenen russischen Assets in Höhe von 210 Mrd. Euro liegen aber in Europa. Nicht in den USA.
Der US-Militärkomplex hat an Waffenlieferungen verdient – dieses Geld ist nicht in ukrainische Infrastruktur geflossen.
Die Rohstoffe, die als Sicherheit verkauft werden sollen – Lithium, seltene Erden –, liegen größtenteils im Donbas und auf der Krim. In besetzten Gebieten.
Wer diese Gebiete abtritt, verschenkt auch die Bodenschätze.
Am Ende zahlt Europa.
Und Putin macht den Deal seines Lebens.
Trump verkauft einen Frieden, den er nicht bezahlen kann. Er stellt den Scheck aus – aber auf Europas Konto.
Der „Wiederaufbau“, den Witkoff verspricht, soll mit Euros bezahlt werden, nicht mit Dollars.
Und dann folgt die Erpressung:
Wenn Europa sagt „Wir zahlen nicht für diesen Diktatfrieden“, wird Trump sagen:
„Ich habe den Frieden gebracht. Die Europäer sind zu geizig. Wenn die Ukraine kollabiert, ist es Europas Schuld.“
Doch genau hier liegt unser Hebel.
Europa zahlt längst – für Renten, Beamte und die Infrastruktur der Ukraine.
Wir sind also nicht erpressbar.
Wir entscheiden, wofür wir zahlen.
Wir finanzieren den Widerstand der Ukraine.
Aber wir finanzieren nicht ihre Kapitulation.
Wer zahlt, bestimmt die Bedingungen.
Wenn Trump Land verschenken will, soll er es bezahlen.
Wenn er Putin belohnen will, soll er es erklären.
Aber er wird es nicht mit europäischen Steuergeldern tun.
Berlin war nur der Test.
Führung beweist sich nicht durch Konferenzräume, sondern durch rote Linien.
Europa darf nicht zum Enabler eines Deals werden, der Landraub belohnt, nur um den transatlantischen Bruch zu kitten.
Das wäre kein Sieg der Diplomatie.
Das wäre ein Kniefall vor der Erpressung – finanziert mit unserem eigenen Geld.
Die EU hat die russischen Assets bereits unbefristet eingefroren – und damit Orban und die Slowakei ausgehebelt. Aber in Brüssel entscheidet sich morgen und übermorgen, wofür dieses Geld verwendet wird: Für Widerstand oder für Kapitulation.
Trump wird tun, was er angekündigt hat.
Aber nur, wenn wir mitmachen. Wenn wir zahlen. Wenn wir seine Rechnung übernehmen.
Das müssen wir nicht tun.
Ein „Frieden“, der auf der Anerkennung von Landraub basiert, ist kein Frieden.
Er ist eine Pause vor dem nächsten Krieg.
Die USA mögen ihre Prinzipien verraten.
Europa darf es nicht auch tun.
Nicht aus Naivität.
Sondern weil wir unsere eigene Sicherheit verstehen.
Und weil wir den Hebel haben, den Trump braucht: unser Geld.
Wer zahlt, schafft an.
Es wird Zeit, dass Europa sich daran erinnert.