„Friedensplan“ zerreißen, jetzt!
Eine Chronik, wie ein russischer Textentwurf über Miami und willige US-Akteure zum „Friedensplan“ wurde — und warum Europa ihn sofort zurückweisen muss.
Die Russen haben die europäischen Vorschläge in hohem Bogen abgelehnt. Natürlich wollen sie das Maximum.
Ihr Endziel ist klar: Die Ukraine als zweites Belarus – und irgendwo findet sich immer ein nützlicher Idiot, der behauptet, als „russischstämmiger Bürger“ in seinen Rechten eingeschränkt zu sein. Der Vorwand ist alt, die Masche durchsichtig, das Ergebnis vorhersehbar.
So kommen wir nicht weiter.
Ein „Plan“, der auf einem russischen Papier basiert, kann keine Grundlage europäischer Sicherheit sein.
Das Ding muss zerrissen werden – sofort. Jede „Überarbeitung“ eines Moskauer Vorschlags ist ein intellektueller Selbstbetrug, egal wie viel wir daran "feilen".
Ja, das hätte für Europa Konsequenzen.
Aber die Alternative ist schlimmer.
Denn wenn im russischen Entwurf ohnehin „Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine stehen – vage im NATO-Artikel-5 Stil, was am Ende nur ein Budapester Memorandum 2.0. ist UND AUCH UNS NICHT HILFT – dann können wir diese Sicherheitsgarantien auch richtig geben.
Ohne Verrenkungen.
Ohne semantische Klimmzüge.
Ohne Appeasement 2.0.
JETZT.
Denn JETZT bricht Russland wie seit vier Jahren in jeder Minute das Völkerrecht. Russland begeht systematisch Kriegsverbrechen. Genau jetzt, während wir reden.
Und jeder Tag des Wartens macht die Lage schlechter:
- Russland wird militärisch stärker
- die ukrainischen Befestigungen gehen verloren
- die Verteidigungslinien verschieben sich nur in eine Richtung und Russland wird beim nächsten Angriff auch wieder nur Beute machen, die es dann nicht mehr hergibt
- die Kosten unserer Untätigkeit steigen ins Absurde
Ganz nüchtern betrachtet:
Ob wir den russischen Bruch eines zukünftigen „Friedens“ heute oder in sechs Monaten erleben – es macht keinen Unterschied.
Russland findet ohnehin immer Vorwände. Putin würde sogar St. Petersburg bombardieren, wenn es ihm nutzt, um die USA aus Sicherheitsgarantien herauszupressen.
Deshalb: JETZT zerreißen.
JETZT klarstellen, dass Putin ein Kriegsverbrecher ist und wir mit Kriegsverbrechern und Erpressern nicht verhandeln und so tun, als könne man mit ihm „vertrauensbildende Maßnahmen“ abstimmen.
JETZT Trump die Stirn bieten – der unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Friedensschlusses einen geopolitischen Ausverkauf plant, von dem er auch noch finanziell profitieren will. Schulterschluss mit einem Kriegsverbrecher als Geschäftsmodell.
Das ist keine Diplomatie.
Das ist ein Verrat an europäischer Sicherheit – und an jeder Norm, die die zivilisierte Welt seit 1945 mühsam aufgebaut hat.
SCHLUSS mit dieser Scharade!
All das ist die politische Realität dieses Moments.
Aber um zu verstehen, warum dieser „Friedensplan“ überhaupt so toxisch ist, reicht Analyse allein nicht aus.
Man muss sehen, wie er entstanden ist.
Denn unter der Oberfläche der großen Worte liegt eine Chronik, die offenlegt, was viele gerade ignorieren:
Dieser Plan war nie ein diplomatisches Angebot — er war von Anfang an ein russisches Projekt — und wurde uns in einer unverfrorenen Lüge als US-Plan aufgetischt.
Genau deshalb muss man seine Genese Schritt für Schritt nachzeichnen —
denn erst die Chronik seiner Entstehung zeigt, wie dreist hier manipuliert wurde
und warum Europa diesen „Friedensplan“ sofort zurückweisen muss.
DENKT MAL DARÜBER NACH …
Russische Fake-Wirklichkeit & amerikanische Willfährigkeit
„In diesem Text gibt es kein historisches Argument – außer der russischen Opfererzählung.
Es gibt kein Recht – außer jenem, das kommerzielle Geschäfte ermöglichen soll, die Russen (und ein paar Amerikaner) bereichern könnten.
Der Krieg an sich wird geleugnet.
Es gibt keine einzige Forderung, kein einziges Zugeständnis, nichts – das Russland tun würde, um seine Invasion zu beenden.“ –
Timothy Snyder auf Substack.
Die Genese des 28-Punkte-Plans
Dieser Text erzählt, wie ein russischer Gesandter, ein paar Stunden in Miami und willige Medien einen „Friedensplan“ zur Verhandlungsgrundlage machten – den niemand bestellt hatte.
Es gibt zahlreiche Theorien zur Genese des 28-Punkte-Plans, der in wenigen Tagen durchgeboxt und zur Unterschrift gebracht werden soll. Warum die Eile? Und wer hat daran offenbar das größte Interesse?
Die einfache Antwort: Russland. Putin hat es in fast vier Jahren nicht geschafft, seinen Krieg gegen die Ukraine erfolgreich zu beenden. Für meinen Verdacht, wie der Plan entstanden ist, braucht es nur wenige Akteure: Putins Vertrauensmann Kirill Dmitrijew, Trumps Sondergesandten Steve Witkoff, Schwiegersohn Jared Kushner – und willige Medien, die den Plan veröffentlichten, ohne die Widersprüche zu prüfen.
Akt 1: Der Coup
Der Plan, der schon existierte
Bevor wir zur offiziellen Geschichte kommen, ein bemerkenswertes Detail: Der Bellingcat-Investigativjournalist Christo Grozev erklärte am 22. November auf X, er habe bereits vor sechs Monaten eine frühe Version des „Friedensplans“ gesehen. Diese Version sei rein russisch gewesen und nahezu identisch mit dem jetzigen 28-Punkte-Plan – inklusive der 50/50-Aufteilung russischer Assets und der EU-Investitionen für den Wiederaufbau der Ukraine.

Grozev zufolge fehlten in der frühen Version allerdings zwei Punkte, die offenbar später hinzugefügt wurden: Erstens ein Vorschlag, dass US-Investoren Russland nach dem Krieg aus einer drohenden Rezession retten sollten – „wie in den 90ern“. Ein Sweetener für Trump, ob als legitimes US-Interesse oder als Angebot für „Freunde und Familie“, ließ Grozev offen. Zweitens das Angebot einer neuen russisch-amerikanischen Allianz gegen China, verpackt in Rhetorik einer „christlichen Allianz“.
Grozevs Fazit: „Ich bin absolut sicher, dass das ein russischer, kein gemeinsam entwickelter Vorschlag ist.“ Die beiden zusätzlichen Punkte seien möglicherweise nicht Teil des öffentlich gewordenen Plans – was bedeuten würde, dass es in Wahrheit ein 30-Punkte-Plan ist.
Wenn das stimmt, war das Miami-Treffen keine Verhandlung. Es war eine Übergabe.
Offiziell unerwünscht
Die offizielle Geschichte beginnt Ende Oktober 2025. Putin schickt seinen Fonds-Manager und Vertrauensmann Kirill Dmitrijew in die USA – offiziell, um nach neuen US-Sanktionen die Wogen zu glätten und über die US-russischen Beziehungen zu sprechen.

Das Weiße Haus findet das allerdings nicht so prickelnd: Finanzminister Bessent verspottet den Putin-Gesandten öffentlich als „russischen Propagandisten“.

Trump selbst hatte kurz zuvor geplante Gespräche mit Putin in Budapest auf Eis gelegt. Rubio und Lawrow hätten das vorbereiten sollen, aber es gab keine gemeinsame Basis. Also befand der Präsident: kein „vergeudetes“ Treffen. Die russisch-amerikanischen Beziehungen hatten offiziell den Aggregatszustand von Eis an einem kalten Wintermorgen.
Ein Treffen, das stattfand
Der eisige Wind ließ den Kälte gewohnten Dmitrijew offenbar erst richtig in Stimmung kommen. Er nutzte seine Kanäle, um zu lancieren, mit welch „titanischen“ Mitteln hier versucht würde, einen Dialog zwischen Russland und den USA zu unterbinden.

Und während das offizielle Washington ihn mied, sah das nicht jeder so. Die republikanische Kongressabgeordnete Anna Paulina Luna aus Florida, bekannt für ihre russlandfreundlichen Ansichten, befand, dass die USA die Gespräche über "Frieden und Handel unbedingt vertiefen sollten". Sie postete auf Social Media, dass sie ein Treffen mit Dmitrijew plane.

Bei der US-Kongressabgeordneten Anna Paulina Luna handelt es sich genau um jene Politikerin, die laut einem Medienbericht der afD-nahen Influencerin Naomi Seibt bei einem beantragten Asylverfahren in den USA Unterstützung zugesagt hat. Das passt exakt zur AfD-affinen Politik der Donald Trump-Regierung – und zur Haltung der AfD, die bei der Bundestagswahl schon von Russland-nahen Akteuren aus Washington unterstützt wurde.

Zudem bestätigte ein „White House Official“ gegenüber CNN, dass Witkoff sich am Samstag mit Dmitrijew in Miami treffen werde. Irgendjemand im Weißen Haus hatte also grünes Licht gegeben – während Trump offiziell auf Anti-Russland-Kurs war.

Am 25. Oktober gab Dmitrijew bei Fox News ein Interview, in dem er mitteilte, er würde „morgen“ Witkoff in Miami treffen. Der Tag des Treffen war also der 26. Oktober – ganz offiziell, ziemlich öffentlich, wenig geheim.
Der Kontext: Harte Linie gegen Russland
Was dieses Treffen noch seltsamer macht: Obwohl es das Treffen mit dem bekannt russlandfreundlichen 28-Punkte-Plan gab, fuhr die Trump-Administration derweil einen stringenten und ungewöhnlich harten Kurs gegen Russland.
Am 6. November twitterte das Finanzministerium: „Präsident Trump hat klar gemacht, dass der Krieg sofort enden muss. Solange Putin die sinnlosen Tötungen fortsetzt, wird die Marionette des Kremls, Gunvor, niemals eine Lizenz bekommen.“ Gunvor ist ein Schweizer Rohstoffhändler, den Journalist Michael Weiss treffend als Putins „Sparschwein“ bezeichnet.

Nur einen Tag vor der Veröffentlichung des 28-Punkte-„Friedensplans“ genehmigte das US-Außenministerium den möglichen Verkauf von Patriot-Luftabwehrsystemen an die Ukraine für 105 Millionen Dollar. Die NATO-Partner überschlugen sich außerdem parallel, die Ukraine militärisch weiter auszustatten. Und während Axios den Plan veröffentlichte, schoss die Ukraine praktisch zeitgleich ATACMS auf russisches Territorium – was ohne Freigabe des NATO-Oberbefehlshabers nicht möglich gewesen wäre.


Quelle: Reuters
Das passt nicht zusammen: harte Linie hier, russlandfreundlicher „Friedensplan“ dort.
Akt 2: Die Lancierung
Der Axios-Scoop
Am 18. November 2025 veröffentlichten die Axios-Journalisten Barak Ravid und Dave Lawler ihren Scoop: Die Trump-Administration habe heimlich in Absprache mit Russland an einem neuen Plan zur Beendigung des Ukraine-Krieges gearbeitet. Heraus kam ein 28-Punkte-Plan, inspiriert vom erfolgreichen Gaza-Deal. Alle Seiten müssten Abstriche machen, aber endlich gebe es einen Rahmen für Frieden.

Axios präsentierte das als laufenden diplomatischen Prozess: Steve Witkoff leite die Ausarbeitung und habe ausgiebig mit dem russischen Gesandten Kirill Dmitrijew diskutiert. Das Weiße Haus habe begonnen, die Europäer zu informieren. Witkoff solle bald Selenskyj treffen. Ein ukrainischer Offizieller bestätigte sogar ein Treffen mit Witkoffs Team „earlier this week in Miami“.
Die Hauptquelle für all das: Dmitrijew selbst. Er erzählte Axios, er habe drei Tage lang mit Witkoff und anderen Trump-Leuten in Miami zusammengesessen, vom 24. bis 26. Oktober. Er äußerte sich optimistisch: „Wir spüren, dass die russische Position wirklich gehört wird.“
Was Axios nicht prüfte
Die drei Tage waren eine Lüge. Am 25. Oktober gab Dmitrijew sein Fox-Interview, in dem er ankündigte, er werde Witkoff „morgen“ treffen – also am 26. Oktober. Und am 27. Oktober morgens Moskauer Zeit twitterte Dmitrijew bereits über seinen Rückflug. Er postete ein Bild, das seine Reiseroute im Flugzeug über London zeigt.


Quelle: X
Das Treffen dauerte also nur wenige Stunden. Ein Dokument, das über die Zukunft der Ukraine und die europäische Sicherheitsarchitektur entscheiden soll – in einem Nachmittag zusammengeschustert. Die erste nachweisbare Lüge.
Oder, wenn Grozev recht hat: gar nicht zusammengeschustert, sondern nur übergeben.
Die Tweet-Panne
Kurz nach der Veröffentlichung passierte etwas Verräterisches: Steve Witkoff postete auf X einen Tweet, der offenbar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war: „He must have got this from K.“ – „Er muss das von K. bekommen haben.“ Witkoff löschte den Tweet schnell wieder, aber Screenshots waren bereits im Umlauf.

US-Journalist Michael Weiss vermutete sofort: „K.“ bezog sich auf Kirill Dmitrijew. Eine unbeabsichtigte Enthüllung: Der Russe hatte den Plan offenbar an die Medien – und im Speziellen an Axios – lanciert, bevor er überhaupt vom Weißen Haus offiziell der Weltöffentlichkeit präsentiert wurde. Dmitrijew verkaufte etwas, das er noch gar nicht besaß.
Trump schweigt – zunächst
Michael Weiss bemerkt in seinem Artikel „He must have got this from K.“ etwas Auffälliges: Donald Trump schwieg verdächtig lange. In den 24 Stunden nach dem Axios-Scoop hatte er auf TruthSocial über Jimmy Kimmel und Jeffrey Epstein geschimpft und erklärt, wie er Demokraten hinrichten lassen wolle, weil sie Soldaten geraten hätten, illegale Befehle zu missachten. Doch es gab keine Ankündigung einer weiteren nobelpreiswürdigen Intervention, keine brutale Drohung an Selenskyj. Kein Wort zum angeblich historischen Friedensplan.
Das änderte sich am 20. November. NBC berichtete: Der Präsident habe „diese Woche“ alle 28 Punkte genehmigt. Erst jetzt wurde der Plan zu „Trumps Plan“ – inklusive Deadline für Selenskyj bis Thanksgiving.

Wer wusste was?
Die Ukrainer wussten nichts von dem Plan. Die Europäer schon gar nicht. Und der Plan enthielt Punkte, die direkt die NATO und EU betrafen – Institutionen, die noch gar nicht offiziell informiert waren, aber hätten mitunterzeichnen müssen.
Journalist Michael Weiss wunderte sich folgerichtig, dass dem Außenministerium der angeblich vom Weißen Haus abgesegnete Plan vorher keine einzige Silbe wert war. Bei einem solch wichtigen Vorgang höchst ungewöhnlich.
Russizismen im Text
Journalisten des britischen Guardian analysierten die Sprache des Plans und fanden heraus, dass einige Sätze ursprünglich auf Russisch geschrieben worden sein könnten. Punkt 3 etwa lautet: „It is expected that Russia will not invade neighbouring countries“ – eine unbeholfene Passivkonstruktion im Englischen, die im Russischen eine gängige Verbform ist. Auch andere Russizismen fanden sich im Text.

Der böse Verdacht: War der von Trump adoptierte „Friedensplan“ in Wahrheit ein russischer? Grozevs Aussage, er habe den Plan schon sechs Monate früher gesehen, und die sprachlichen Spuren deuten in dieselbe Richtung.
Akt 3: Das Verwirrspiel
Senatoren wissen von nichts
Senator Lindsey Graham behauptete, keinerlei Kenntnis von irgendeinem 28-Punkte-Plan zu haben. Das war bemerkenswert: Graham wäre normalerweise der erste Senator gewesen, den das Weiße Haus instrumentalisiert hätte, um so etwas zu verkaufen. Noch bizarrer: Nur wenige Stunden zuvor hatte Graham verkündet, Trump habe ihm die Erlaubnis gegeben, sein Gesetz zur Einführung von 500-Prozent-Zöllen auf Länder voranzutreiben, die russisches Öl, Gas und Uran importieren.
Nun wurde aber von Trumps Pressesprecherin Leavitt kolportiert, Rubio habe seit etwa einem Monat im Stillen an einem Plan gearbeitet und sich mit der Ukraine und Russland gleichermaßen ausgetauscht, um zu verstehen, wozu sich diese Länder verpflichten würden, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen. Diese Gespräche würden fortgesetzt.
Der Präsident unterstütze diesen Plan. Er sei gut für Russland und die Ukraine.

Rubio distanziert sich – und dann nicht mehr
Zwar hatte Rubio diesen Tweet retweetet, das war allerdings nicht von Beginn an seine Haltung.
Denn zuerst schien das Außenministerium überrascht. In der Nacht nach der Veröffentlichung des „Friedensplans“ twitterte Rubio: „Einen komplexen und tödlichen Krieg wie den in der Ukraine zu beenden, erfordert einen umfangreichen Austausch ernsthafter und realistischer Ideen. Deshalb entwickeln und werden wir weiterhin eine Liste potenzieller Ideen zur Beendigung dieses Krieges entwickeln.“

Das klang nicht nach voller Unterstützung und vor allem eher wie ein laufendes „Projekt“ als ein abgesegneter Plan – zumal derselbe Rubio eine Woche zuvor noch erklärt hatte, Russland habe kein Interesse an Frieden.
Doch dann kam die Kehrtwende: In der Nacht zum Sonntag betonte Rubio auf X, der Friedensvorschlag sei „von den USA verfasst“ worden. Er widersprach explizit den Gerüchten, der Plan sei von russischer Seite beeinflusst. Das Dokument basiere neben Beiträgen der russischen Seite ausdrücklich auch auf „früheren und laufenden Beiträgen der Ukraine“.

Beim Sicherheitsforum in Halifax hatte der republikanische Senator Mike Rounds erklärt, es handele sich bei dem Plan keineswegs um eine Empfehlung oder den eigenen Friedensvorschlag der USA. Außenminister Rubio habe ihm das persönlich bestätigt. Senator Angus King nannte den Plan unverblümt die „Wunschliste der Russen“. Beide Senatoren betonten, die USA seien lediglich „Empfänger eines Vorschlags“ gewesen.

Der Scharfmacher
Während Rubio lavierte und Senatoren sich distanzierten, gab es einen, der den Plan von Anfang an voll verteidigte: Vizepräsident JD Vance. Er warf Kritikern „Realitätsverlust“ vor und verspottete Alternativen als Ideen „gescheiterter Diplomaten“.

Das war keine Überraschung. Vance hatte bereits im März 2025 die Lunte gezündet, als Selenskyj zu einem Kurzbesuch im Weißen Haus war. Aus einem geplanten Gespräch über ein Rohstoffabkommen wurde vor laufenden Kameras ein Schlagabtausch. Vance fing an: Selenskyj würde sich nicht einmal bedanken. Trump eskalierte: „Ihr Land ist in großen Schwierigkeiten. Entweder machen sie einen Deal oder wir sind raus.“ Am Ende wurde Selenskyj aus dem Weißen Haus geworfen.
Und am 23. November, mitten in der Debatte um den 28-Punkte-Plan, postete Trump auf TruthSocial: „Ukraine ‘LEADERSHIP’ has expressed ZERO GRATITUDE for our efforts.“ Dieselbe Rhetorik, dieselbe Linie. Das klingt nach Vance.

Die Interessengemeinschaft
Wer profitiert eigentlich von diesem „Friedensplan“? Ein Blick auf die Beteiligten ist aufschlussreich.
Kirill Dmitrijew leitet den Russian Direct Investment Fund, Russlands Staatsfonds. Er will die eingefrorenen russischen Assets zurück und Russland aus der drohenden Nachkriegsrezession retten.
Steve Witkoff ist Immobilienentwickler aus New York, ein alter Kumpel Trumps. Im Plan ist vorgesehen, dass 50 Prozent der Erlöse aus dem Wiederaufbau der Ukraine an US-Investoren gehen. Für einen Immobilienfuzzi klingt das nach dem Geschäft des Jahrhunderts.
Jared Kushner hat bereits Milliarden aus Saudi-Arabien eingesammelt und sucht neue Deals. Er saß laut Reuters mit am Tisch in Miami.
Donald Trump interessiert sich offiziell nur für die Renditen für „US-Investoren“ – inoffiziell also für Freunde und Familie. Und einen „Friedensnobelpreis-Moment“ obendrauf.
JD Vance liefert die ideologische Deckung. Er ist der Scharfmacher, der die Ukraine für undankbar erklärt und Europa für schwach. Für ihn ist dieser Plan ein Sieg seiner Weltsicht.
Das ist keine Diplomatie. Das ist ein Immobiliendeal mit Kriegsbeute. Kein Wunder, dass die Ukrainer und Europäer nicht am Tisch saßen. Die hätten nur gestört bei der Aufteilung.
Fazit: Der zweite Schritt vor dem ersten
Und so diskutiert die Welt nun offiziell mit einem Plan, von dem niemand genau weiß, wo er seinen Ursprung hat – obwohl die Indizien eindeutig sind. Die offizielle Version, drei Tage sorgfältiger Verhandlungen, ist nachweislich falsch. Die Ukrainer wurden nicht konsultiert, die Europäer nicht informiert. Der Text enthält sprachliche Spuren russischer Urheberschaft. Und ein Investigativjournalist hat den Plan schon sechs Monate früher gesehen – als rein russisches Produkt.
Dmitrijew brachte einen fertigen Plan mit nach Miami. Witkoff und Kushner nahmen ihn entgegen. Dmitrijew lancierte ihn an Axios. Trump schwieg erst, ließ sich dann von Vance und den Renditeversprechen überzeugen und machte den Plan zu seinem eigenen. Und nun steht Selenskyj vor einem Ultimatum für ein Dokument, das nicht in Washington entstanden ist, sondern in Moskau.
Hier wurde der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Und das hätte so gar nicht geschehen dürfen.
Für die Rekonstruktion war die Analyse des US-Journalisten Michael Weiss („He must have got this from K.“) zentral – ergänzt um zusätzliche Quellen, Chronologieabgleiche und eigene Bewertung.
