Weil Europa vier Jahre lang den Schuss nicht hören wollte, wird jetzt die Ukraine verkauft
Wie Trump und Putin ihre Beute untereinander aufteilen
Jeder kennt Trumps Satz: „Ich beende den Krieg in der Ukraine in 24 Stunden.“
Das klang zu keinem Zeitpunkt nach Frieden – nicht, wenn man wusste, was Trump über die Ukraine dachte. Geschweige denn über Putin.
Am 23. Februar 2022, einen Tag vor Beginn des russischen Krieges, sagte er über den Kremlchef, der gerade einen großen Teil der Ukraine für unabhängig erklärt und „Friedenstruppen“ dorthin geschickt hatte: „Wie schlau ist das denn? Das ist genial.“
An diesem Tag entstand auch der Satz, den der Mann im Weißen Haus noch heute gefühlt einmal pro Stunde wiederholt: Mit ihm als Präsident wäre es nie dazu gekommen. Joe Biden habe im Umgang mit Russland versagt.
Das ist bald vier Jahre her. Die Ukraine kämpft immer noch ums Überleben.
Dabei hatte sie große Hoffnungen, als Trump im Januar als neuer amerikanischer Präsident vereidigt wurde. Die Erwartungen waren zum Zerreißen gespannt.
Und die Fallhöhe entsprechend tief.
Denn das, was folgen sollte, waren keine Friedensverhandlungen.
Es war ein Geschäft.
Und die Ukraine? Die Ware im Schaufenster.
Der Hinterzimmer-Deal
Der neue Bericht des Wall Street Journal legt schmerzlich offen: Im Hintergrund wurden mindestens seit Beginn von Trumps Präsidentschaft Deals mit Russland vorbereitet – riesige Wirtschaftsprojekte, bei denen US-Firmen mit Russland Geschäfte machen und sogar an den eingefrorenen russischen Geldern in Europa mitverdienen sollten.
Im Zentrum drei Hauptakteure:
Steve Witkoff – Immobilienentwickler, Trumps Golfpartner, plötzlich Sondergesandter für alles, was zählt. Die Europäer versuchten monatelang, ihn zu erreichen. Sie baten ihn, wenigstens sichere Kommunikationsleitungen zu benutzen. „Zu umständlich“, sagte Witkoff. Also hörten sie mit. Die CIA erfuhr von seinen Gesprächen mit Putin – von den Briten. Ein europäischer Geheimdienst verteilte nach dem Alaska-Gipfel einen Umschlag mit den kommerziellen Plänen. Die Empfänger waren schockiert.
Jared Kushner – Trumps Schwiegersohn, Investor, ein Mann mit eigenen Interessen. Im Februar 2024 erklärte er, keinen Posten in einer zweiten Trump-Regierung zu übernehmen. Er wolle sich auf sein „Investmentunternehmen“ konzentrieren. Ein Jahr später sitzt er in jeder Verhandlung – ohne Amt, ohne Akten, ohne Rechenschaftspflicht. Sein Unternehmen „Affinity Partners“ wurde 2021 mit zwei Milliarden Dollar vom saudischen Staatsfonds finanziert – gegen die Empfehlung der eigenen Berater, die das Ganze als „in jeder Hinsicht unbefriedigend“ bezeichneten. Kronprinz Mohammed bin Salman wischte die Bedenken weg und verwies auf die „strategische Beziehung“ zu Kushner. Eine Untersuchung des US-Kongresses, ob Kushners Geschäftsinteressen die amerikanische Außenpolitik beeinflussten, verlief im Sande, als die Republikaner die Mehrheit zurückgewannen.
Kirill Dmitrijew – Putins Sondergesandter, Chef des russischen Staatsfonds, Stanford-Absolvent, Goldman-Sachs-Alumni. Das US-Finanzministerium nannte seinen Fonds 2022 „Putins Schwarzkasse“. Er kennt Kushner seit Jahren – die beiden koordinierten während der Pandemie eine Lieferung von Beatmungsgeräten in die USA, die am Ende nie benutzt wurden.
Diese drei haben in Miami und Moskau monatelang an einem Plan gearbeitet, der Russland wirtschaftlich retten und geopolitisch belohnen soll – und wie von Zauberhand einige Firmenbosse aus dem Dunstkreis Donald Trumps noch reicher machen.
Für die Verhandler war dabei klar: Europäische Unternehmen sollen draußen bleiben. Die USA sollen die Gewinne bekommen. Europa soll politisch stillhalten und die Folgen tragen.
Sogar Nord Stream 2 soll für einen Apfel und ein Ei an einen US-Käufer gehen.
Die Einkaufsliste
Was auf dem Tisch lag:
✅ Gas aus Sachalin
✅ Seltene Erden aus Sibirien
✅ Arktis-Projekte
✅ Russische Energieinfrastruktur
✅ Beteiligungen amerikanischer Firmen an russischen Konzernen
✅ Und die Verwendung der eingefrorenen 300 Milliarden Dollar russischer Staatsgelder für US-russische Joint Ventures
Das Wall Street Journal listet eine ganze Reihe amerikanischer Milliardäre und Firmen auf, die sich hier besonders hervortaten:
✅ Exxon Mobil (will zurück nach Sachalin)
✅ Elliott Management (Hedgefonds, prüft Pipeline-Anteile)
✅ Todd Boehly (Investor, prüft Lukoil-Assets)
✅ Gentry Beach (Studienfreund von Trump Jr., verhandelt über 9,9% an Novatek)
✅ Stephen Lynch (Trump-Donor, will Nord Stream 2 kaufen)
Diese Leute rechnen fest damit, dass Trump Putin entgegenkommt – und dass sich daraus gigantische Gewinne ergeben.
Die Logik des Deals
Kurz gesagt: Trump wollte mit Hilfe Kushners und Witkoffs mit Putin einen Deal machen, der Russland belohnt und die Ukraine opfert – im Tausch gegen wirtschaftliche Vorteile für US-Unternehmen und persönlichen innenpolitischen „Erfolg“ für Trump.
Das Ganze wurde durchgeführt außerhalb:
❌ diplomatischer Kanäle
❌ der US-Geheimdienste
❌ internationaler Absprachen
❌ jeglicher Transparenz
Die CIA erfuhr von Witkoffs Gesprächen mit Putin – von den Briten. Ein europäischer Geheimdienst verteilte nach dem Alaska-Gipfel einen Umschlag mit den kommerziellen Plänen. Die Empfänger waren schockiert.
Keith Kellogg, Trumps offizieller Ukraine-Gesandter, wurde von den echten Verhandlungen ausgeschlossen. Er war Deko. Witkoff war der Operator.
Der 28-Punkte-Plan
Um diese von langer Hand geplanten Geschäftsdeals der Weltöffentlichkeit verkaufen zu können, brauchten die Akteure eine Verpackung.
Einen „Friedensplan“.
Hier kommt der berühmte 28-Punkte-Plan ins Spiel, über den gerade alle reden.
Was auffällt: Diejenigen, die sterben und zerstört werden, waren nicht diejenigen, die den Plan schrieben. Und schon gar nicht die, die dabei gewinnen.
Der Frieden war nie der Zweck.
Nur die Verpackung für ein Bombengeschäft.
Der Plan sieht vor:
🔺 Anerkennung der besetzten Gebiete durch die USA
🔺 Keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine
🔺 Krim bleibt russisch
🔺 Milliardeninvestitionen US-amerikanischer Firmen in Russland
🔺 Ausschalten Europas als Partner
Polens Premierminister Donald Tusk fasste es zusammen: „We know this is not about peace. It's about business.“
Selenskyj: Kein Partner – ein Hindernis
Legt man nun daneben, was das Wall Street Journal in seinem Bericht nicht im Fokus hat, wird das ganze Ausmaß dessen bewusst, wie sehr Trump die Ukraine als Schachfigur ansah, die ihn nur daran hinderte, dass endlich der Rubel rollte.
Wenn man versteht, was im Hintergrund lief, ist klar:
Selenskyj war für Trump kein Partner. Er war ein Hindernis.
Er wollte keine Gebietsabtretungen. Er wollte keinen Ausbeuter-Deal.
Also wurde er behandelt wie ein Untergebener:
👊 Öffentlich gedemütigt
👊 Beschimpft („undankbar“, „respektlos“, „Diktator“, schuldig am Krieg, Verursacher des 3. Weltkriegs)
👊 Von Vance angebrüllt
👊 Mit Geheimdienst-Entzug und Waffenlieferstopp bestraft
👊 Aus dem Weißen Haus geworfen
👊 Medial destabilisiert
Einschüchterung pur.
Nicht, um Frieden zu erreichen.
Sondern um den Widerstand eines Landes zu brechen, damit es endlich einen Vertrag unterschreibt, der längst in Moskau und Miami existierte.
Die Sanktionen: Kein Druck für Frieden – nur Druck fürs Geschäft
Da wäre noch das Einzige, von dem die Weltöffentlichkeit annahm, hier handele der US-Präsident wenigstens einmal zum Vorteil der Ukraine: die Sanktionen gegen Lukoil und Rosneft im Oktober.
Von wegen.
Das Wall Street Journal zeigt: Diese Sanktionen dienten dazu, russische Firmen weichzuklopfen, damit sie US-Firmen als „Partner“ in ihre Energieprojekte aufnehmen müssen.
Kein „Druck hin zum Frieden“.
Nur „Druck fürs Geschäft“.
Wie ein Immobilienhai, der die Nachbarschaft vermüllt und terrorisiert, damit er Grundstücke billiger kaufen kann.
Und Dmitrijew, Putins Mann? Der durfte im April noch ins Weiße Haus. Im Oktober nicht mehr. Da musste er nach Miami, wie ein Bittsteller. Finanzminister Bessent nannte ihn öffentlich einen „russischen Propagandisten“.
Aber der Plan, den dieser „Propagandist“ mit Witkoff und Kushner in Miami ausgearbeitet hatte – das ist der Plan, den die USA jetzt als ihre Position verkaufen.
Der „Propagandist“ hat die amerikanische Außenpolitik geschrieben.
Warum Europa draußen bleiben musste
Fragt sich: Warum wurde Europa komplett bei den Verhandlungen außen vor gelassen?
Aus Sicht der Täter ergibt das perfekte Logik.
Die Europäer sind geopolitische Konkurrenten. Sie hätten:
🚫 Nein gesagt, weil Landabtretungen illegal sind.
🚫 Nein gesagt, weil es sie sicherheitspolitisch ruiniert.
🚫 Nein gesagt, weil sie nicht die Rolle spielen wollen, die ihnen dieses Papier zuteilt: die des Zahlers.
Russland hat es offen gesagt: Europäische Firmen sollen nichts abbekommen – weil europäische Staats- und Regierungschefs „a lot of trash“ über die Friedensbemühungen geredet haben.
Wer Putin kritisiert, fliegt aus dem Geschäft. Wer brav ist, darf mitspielen.
Die Bloomberg-Leaks: Wie man Trump „überzeugt“
Nun gab es in den vergangenen Tagen einige Aufregung über die Hintergründe zur Entstehung und Weitergabe des 28-Punkte-Plans.
Nach der Lektüre des WSJ-Artikels werden die Fragen nicht weniger.
Denn ein Punkt verwirrt: Wenn Trump und sein Umfeld schon von Beginn an nur Deals mit Russland im Auge hatten – warum dann der Zirkus um die Frage, wie man Trump dazu bringen könnte, den russischen Plan zu schlucken?
Hier kommen die Bloomberg-Leaks ins Spiel.
Im ersten Telefonat sprach Putins Berater Uschakow mit Dmitrijew:
Uschakow: „Wir brauchen das Maximum.“
Dmitrijew: „Ich denke, wir machen einfach dieses Papier von unserer Position aus, und ich reiche es informell weiter, mache klar, dass das alles informell ist. Und lass sie es als ihr eigenes behandeln.“
Sprich: Russland schreibt seine Maximalforderungen auf. Diese sollen den USA als „US-Plan“ verkauft werden. Niemand soll merken, dass der Text aus Moskau kommt.
Im zweiten Telefonat wird es noch abenteuerlicher.
Witkoff: „Putin soll Trump anrufen, ihm gratulieren, sagen, dass er ein Mann des Friedens ist. Vielleicht sagt er zu Präsident Trump: Weißt du, der Steve und der Yuri haben über einen sehr ähnlichen 20-Punkte-Friedensplan gesprochen, und das könnte etwas sein, von dem wir denken, dass es die Sache ein bisschen voranbringen könnte.“
Und weiter: „Jetzt, unter uns, ich weiß, was es braucht, um einen Friedensdeal hinzubekommen: Donezk und vielleicht irgendwo ein Gebietstausch.“
Wer bis hierhin aufgepasst hat, müsste einen Knoten im Kopf haben.
Wenn Trump und sein Umfeld von Anfang an auf diesen Deal hinarbeiteten – warum dann der Zirkus um die Frage, wie man Trump „überzeugen“ müsse?
Die Antwort: Es ging nie um Überzeugung. Es ging um Inszenierung.
Das, was ohnehin hinter verschlossenen Türen ausbaldowert wurde, musste noch politisch verpackt werden. Voilà – daher die Aufzeichnungen. Und die zeitlich so gut platzierten Leaks.
Trump musste sich absichern und jeden Zweifel, den „linksradikale“ Kritiker an seinem Plan haben könnten, weit von sich weisen.
Die Message in der Öffentlichkeit: Trump wusste ja von nichts. Er hatte den 28-Punkte-Plan lediglich als einen verkauft, zu dem sowohl die Russen als auch die Ukrainer was beigesteuert hätten. Er selbst war nur der Emissär – der „unparteiische“ Vermittler auf dem Weg zum ewigen Frieden.
Und Witkoff? Er telefonierte ohnehin „offen“, obwohl die Europäer ihn gebeten hatten, sichere Leitungen zu nutzen. Vielleicht war genau das der Plan: Die Welt sollte mithören – und die richtige Geschichte hören.
Der Geist von Alaska
Wobei wir bei der Kritik wären, die der Kreml seit Tagen von morgens bis abends durch den Äther heult: Ihm fehle der „Geist von Alaska“, sagte unter anderem Außenminister Lawrow.
Bei den Verhandlungen zwischen der ukrainischen und US-amerikanischen Delegation wurde an dem ursprünglichen 28-Punkte-Plan einiges gestrichen und ergänzt. Da wir inzwischen wissen, dass die Russen am liebsten ihre Maximalforderungen erfüllt sehen möchten, liegt das Geheule nahe.
Aber warum spricht der Kreml ausgerechnet jetzt vom „Geist von Alaska“?
Dies ist der Punkt, an dem unser Zorn in Verzweiflung kippt.
Der „Geist von Alaska“ taucht Ende November wieder auf, weil der Kreml sagt: Der Plan wurde in Genf verpfuscht. Das entspricht nicht mehr dem, was Trump und Putin im Sommer in Alaska vereinbart haben.
In einfachen Worten: Der Kreml sagt es frei heraus.
Wir hatten bereits einen Deal mit Trump. Der 28-Punkte-Plan sollte nur abbilden, was längst mündlich zwischen ihnen ausgemacht war.
Es ist die Rückkehr zur Geschäftsgrundlage:
🔴 Maximal russische Gebietsgewinne
🔴 Minimale ukrainische Souveränität
🔴 Gemeinsame US-Russland-Investitionen
🔴 Ausschluss Europas
🔴 Schnelle Unterschrift
Und jetzt verstehen wir auch, warum Witkoff und Kushner dringend nächste Woche wieder nach Moskau fliegen müssen.
Der Vertrag muss vollendet werden.
Die bittere Wahrheit
Ein russischer Maximalvertrag, ein amerikanischer Geschäftsplan und ein als „Frieden“ getarnter Deal sollen die Ukraine zerstückeln.
Und Europa soll dafür zahlen.
Man möchte schadenfroh rufen: Selbst schuld. Aber diese Zeilen werden mitten in der EU geschrieben, der Spott bleibt im Hals stecken, der Zorn aber raucht.
Denn Europa wollte vier Jahre lang nicht begreifen, was sich vor seinen Augen zusammenbraute. Und nun steht die Ukraine an jenem Abgrund, an dem Länder zu Objekten werden und Bündnisse zu Statistenrollen schrumpfen.
Während zwei Präsidenten – der eine Autokrat, der andere Geschäftsmann auf dem Weg zum großen Diktator – die Ukraine wie Beute behandeln, fragen große Medien ernsthaft: „Können wir der Ukraine nach dem Korruptionsskandal noch trauen?“
Es wäre zum Lachen, wäre es nicht so bitter.
Die funktionierende Korruptionsbehörde in der Ukraine hat einen Schaden von etwa 100 Millionen Dollar entdeckt. Hierfür wird sie jetzt für manche Augen zurecht bestraft – von zwei Staaten, die gleich Billionen in die Hände kriegen, wenn sie mit dem durchkommen, was sie hier vor den Augen der Weltöffentlichkeit durchziehen.
100 Millionen Dollar Korruption. Dafür wird die Ukraine bestraft.
Für Billionen wird sie verkauft.
Das nennt man dann „Werte des Westens.“