Wenn Anstand zur Selbstgeißelung wird – oder: Warum die BBC sich selbst ins Knie geschossen hat

Wenn Anstand zur Selbstgeißelung wird – oder: Warum die BBC sich selbst ins Knie geschossen hat


Der BBC-Chef tritt zurück. Eine Dokumentation über Trump wurde eine Woche vor der US-Wahl ausgestrahlt, Aussagen wurden „irreführend“ geschnitten. Fehler eingeräumt, Köpfe rollen, die Institution geißelt sich selbst.
Vorbildlich, möchte man meinen.
Und genau das ist das Problem.

Während in Europa eine öffentlich-rechtliche Anstalt personelle Konsequenzen zieht, weil Zitate aus dem Zusammenhang gerissen wurden, regiert in den USA ein Mann, der Dinge sagte wie, Migranten würden „Hunde und Katzen essen“ – eine Lüge, die in Morddrohungen gegen haitianische Communities mündete.

Die BBC hatte über Trump und seine Anhänger am 6. Januar 2021 berichtet, die er zum Kapitol schickte, wo Menschen starben. Diese Gewalttäter hat er inzwischen allesamt begnadigt.

Ein Schnittfehler in einem Beitrag der BBC, ausgeführt von einem unbekannten Redakteur und abgenickt vom Chef vom Dienst – aber der BBC-Chef muss gehen, weil Trump im falschen Lichte dargestellt wurde.

Der Verursacher der Bilder des Kapitolsturms mit Toten aber bleibt.

Der "Katzen und Hunde"-Hetzer lässt inzwischen seine vermummten ICE-Milizen durchs Land marodieren.
Gesetze? Nicht für uns.
Null Konsequenzen.
Null Rücktritte.
Stattdessen: das mächtigste Amt der Welt.

Die Asymmetrie der Rechenschaft
Die BBC hat mit diesem "Schuldeingeständnis" nicht Integrität bewiesen, sondern den Brandstiftern Brandbeschleuniger geliefert.
„Seht her!“, rufen sie nun, „der Mainstream produziert Fake News!“

Die Monstranz wird nun wieder durch die Straßen getragen – der vermeintliche Beweis für die große Verschwörung.
Hätte die BBC nicht einfach sagen können:
„Wir haben den Beitrag überarbeitet, hier ist die neue Version“?
Ja.
Aber nein – es musste das große Mea culpa sein, komplett mit Rücktritt und institutioneller Selbstgeißelung.

Währenddessen steht Trump da, unberührt, unbehelligt – ein Mann, der Lüge zur Staatskunst erhoben hat, der Gewalt legitimiert und Rechtsstaatlichkeit demontiert.
Keine Rechenschaft. Keine personellen Konsequenzen. Nur Macht.

Das System der Selbstzerfleischung
Diese Selbstzerfleischung der Aufrechten hat System – auch bei uns.
Die AfD funktioniert nach demselben Prinzip. Ihre Funktionäre hauen einen Hammer nach dem anderen raus – von „Remigration“ bis zur Forderung nach einer neuen SA. Und was passiert?
Correctiv deckt ein Treffen mit Identitären in Potsdam auf, riesiger Aufschrei, monatelange Selbstprüfung, Untersuchungen, Gedöns.
Am Ende wird ein winziges Detail korrigiert – und schwupps: „Seht ihr, alles übertrieben, Fake News!“

Oder ganz aktuell die SPD in Berlin: Ein Bezirksbürgermeister wird gegrillt, weil er angeblich nicht ausreichend über „antimuslimischen Rassismus“ geredet hat und sich zu oft medienwirksam inszeniert hat.
Ergebnis: Martin Hikel wirft hin.
Die Partei zerlegt sich selbst.
Währenddessen sitzt die AfD im Bundestag, grinst – und haut die nächste Grenzüberschreitung raus. Die Wähler klatschen Beifall.

Das Muster ist immer dasselbe: Die einen überschreiten sensibelste Grenzen mit Konsequenzen auf den Straßen, die anderen korrigieren sich inhaltlich zu Tode.

Wer die Wahrheit liebt, verliert
Die BBC mag einen führungsschwachen Chef gehabt haben – geschenkt.
Aber dass ausgerechnet die Institution Konsequenzen zieht, die noch versucht, sauber zu arbeiten, während der Mann im Weißen Haus, der Mann im Kreml und die Rechten auf den EU-Regierungsbänken ungehindert ihr Reich der Lügen ausbauen, ist nicht nur absurd – es ist gefährlich.

Denn jedes Mal, wenn die Anständigen sich selbst zerlegen, während die Skrupellosen triumphieren, verschiebt sich das Koordinatensystem weiter.
Die Botschaft ist klar: Wer lügt und hetzt, wird belohnt.
Wer einen Schnittfehler macht, muss gehen.

Schluss mit der Selbstgeißelung
Die Institutionen der Demokratie sollten sich nicht länger selbst vorführen, sondern endlich standhalten.
Nicht jede Ungenauigkeit ist eine Sünde.
Nicht jedes Symbol muss faktisch wasserdicht sein.
Nicht jeder inhaltliche Fehler muss mit einer Beinahe-Hexenverbrennung enden.

Denn in einem Kampf, in dem die eine Seite mit Vorschlaghämmern agiert und die andere sich die Beine wegsägt, gibt es am Ende nur diese Gewinner:
Und die sitzen im Weißen Haus, im Kreml und auf den extremen Bänken unserer Parlamente - und sie alle lachen sich nur noch über uns kaputt.
Während wir noch diskutieren, ob wir das Wort „Lügner“ verwenden dürfen.

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