Der Fall Stegner

Der Fall Stegner

Er sitzt im Auswärtigen Ausschuss. Und niemand stoppt ihn


Prolog – ohne Worte

Maischberger, 17. Juni 2025.
Ein paar Sätze. Ein klarer Kopf. Ein Mann in der Defensive.

Carlo Masala: Hilft da private Diplomatie?
Ralf Stegner: Von privat ist nicht die Rede.
Masala: Sie waren doch als Privatmann da, oder waren Sie im Auftrag da?
Stegner: Natürlich nicht!
Masala: Dann war es private Diplomatie.
Stegner: Sie sind kein Staatsanwalt, Herr Professor!

Ralf Stegner – Warum dieser Mann ein Sicherheitsrisiko ist

Es ist ein Skandal mit Ansage. Ein Bundestagsabgeordneter, der öffentlich den Schulterschluss mit autoritären Regimen sucht, der sich mehrfach gegen die außenpolitische Linie seiner eigenen Regierung stellt, und der durch Wortwahl wie Auftreten fortlaufend Misstrauen gegenüber der Verteidigungspolitik der Bundesrepublik säht – dieser Mann sitzt (noch) im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Und nicht nur das: Ralf Stegner, SPD, wird offenbar trotz oder gerade wegen seiner Eskapaden in den entsprechenden Gremien gehalten oder sogar wiedergewählt.

Diese Einleitung soll kein billiger Rundumschlag, sondern der Versuch, einen strukturellen Missstand sichtbar zu machen: Die Narrenfreiheit, die Teile der SPD ihren notorischen Querulanten in sicherheitspolitischen Fragen einräumen, hat längst eine Grenze überschritten, hinter der es nicht mehr um interne Meinungsvielfalt, sondern um institutionelle Verantwortungslosigkeit geht.

Die Mitgliedschaft im Auswärtigen Ausschuss ist keine Nebensache. Dort werden sicherheitsrelevante Informationen behandelt, geheime Lageberichte diskutiert, Weichenstellungen für internationale Abkommen und militärische Engagements besprochen. Wer dort sitzt, hat Zugang zu sensibelsten Informationen der Bundesregierung, die bei Weitergabe oder Fehlinterpretation erheblichen Schaden anrichten können.

Ralf Stegner jedoch hat durch sein Verhalten in den letzten Monaten gezeigt, dass er nicht willens oder nicht in der Lage ist, die damit einhergehende Verantwortung angemessen wahrzunehmen. Im Gegenteil: Sein Agieren wirkt wie eine kalkulierte Provokation gegen die demokratische Wehrhaftigkeit dieses Landes.

Im April 2025 reiste er nach Baku zu einem Treffen mit engen Putin-Vertrauten, gab sich anschließend wortreich selbstgerecht und spielte die Bedeutung dieser Kontakte herunter. Rund zwei Monate später wurde öffentlich, dass er ein "Friedensmanifest" unterzeichnet hatte, das de facto russische Kriegsziele legitimiert. Gleichzeitig echauffierte er sich in Talkshows über angebliche Kriegstreiberei westlicher Partner.

Ein derartiger Abgeordneter darf nicht mit der Aufsicht über sicherheitspolitische Entscheidungen betraut werden. Er gehört nicht in den Auswärtigen Ausschuss. Er gehört auf die Anklagebank der politischen Verantwortung, die seine Partei bisher konsequent verweigert hat, fälschlicherweise aber behauptet, die eigene Russlandpolitik aufgearbeitet zu haben. Wer weiter darüber schweigt, macht sich mitschuldig, auch wenn er selbst nie Teil der Moskau Connection war.

Dieser Beitrag dokumentiert in mehreren Teilen, warum Ralf Stegner nicht länger tragbar ist – und warum mit ihm ein gesamtes Milieu innerhalb der SPD zur Disposition steht, das seit Jahren systematisch die Interessen autokratischer Regime verharmlost.

Der „Fall Stegner“ ist ein Weckruf. Und er ist erst der Anfang.


Vom Petersburger Dialog zur Baku-Connection – Die Chronologie eines sicherheitspolitischen Skandals

Was als Kulturbrücke begann, ist längst zum geopolitischen Schleppnetz Moskaus geworden: Der Petersburger Dialog, 2001 als deutsch-russisches Austauschformat gegründet, wurde über Jahre hinweg zur Kontaktbörse für ein Milieu, das bis heute Verständnis für das imperiale Denken des Kremls aufbringt. Auch Ralf Stegner war ein regelmäßiger Teilnehmer dieser Treffen – ein Netzwerk, das in Teilen bis heute aktiv ist.

Der eigentliche Wendepunkt jedoch kam Mitte April 2025 mit Stegners Teilnahme an einem inoffiziellen Treffen in Baku – einem sogenannten „Friedensdialog“, der sich rückblickend als gezielte Einflussoperation russischer Akteure entpuppte. Teilgenommen haben mehrere deutsche Abgeordnete, darunter Stegner, die sich mit russischen Duma-Vertretern trafen – allesamt bekannte Propagandisten des Ukrainekrieges, darunter Personen auf westlichen Sanktionslisten.

Der Skandal wurde zunächst durch Enthüllungen in verschiedenen Medien publik. Die Reise war nicht offiziell angekündigt worden, es gab keine Transparenz über Teilnehmerlisten, Inhalte oder Finanzierung. Erst auf Nachfrage behauptete Stegner, er habe „alles selbst bezahlt“ – eine Rechtfertigung, die eher wie eine Schutzbehauptung wirkt als wie eine glaubhafte Offenlegung.

Die Frage, wer hinter der Einladung und Organisation des Treffens in Aserbaidschan steckt, bleibt brisant. Es geht nicht um touristische Individualreisen, sondern um eine gezielte politische Vernetzung mit russischen Eliten, während diese einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führen.

Dabei ist es kein Zufall, dass das Treffen in Baku stattfand: Aserbaidschan ist ein autoritär regierter Staat mit engen Verbindungen zu Russland. Die symbolische Kulisse unterstreicht, wie sehr sich diese angeblichen Friedensfreunde längst außerhalb der wertegeleiteten Außenpolitik Europas positionieren.

Hinzu kommt: Rund zwei Monate später, am 11. Juni, wurde öffentlich, dass Stegner zu den Unterzeichnern eines sogenannten Friedensmanifests gehört – eines Textes, der de facto russische Kriegsziele legitimiert und die Verantwortung für den Krieg rhetorisch verschiebt.

Dass dieser Mann in Regierungsgremien mitarbeitet, ist nicht nur ein Anachronismus – es ist eine offene Flanke in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik.

Das Verhalten Stegners ist kein Einzelfall. Aber seine Kombination aus öffentlichem Einfluss, Ausschussmitgliedschaft, Talkshow-Penetranz und ideologischer Nähe zur Moskauer Sichtweise macht ihn zum gefährlichsten Akteur unter den verbliebenen Russlandverstehern in der SPD.

Der nächste Teil befasst sich mit genau diesem Medienverhalten – und analysiert, wie Stegner seine öffentliche Bühne nutzt, um systematisch Zweifel an westlicher Solidarität zu säen.

Der eigentliche Wendepunkt kam Mitte April 2025 mit Stegners Teilnahme an einem inoffiziellen Treffen in Baku – einem sogenannten „Friedensdialog“, der sich rückblickend als gezielte Einflussoperation russischer Akteure entpuppte. Teilgenommen haben mehrere deutsche Abgeordnete, darunter Stegner, die sich mit russischen Duma-Vertretern trafen – allesamt bekannte Propagandisten des Ukrainekrieges, darunter Personen auf westlichen Sanktionslisten.

Der Skandal wurde durch Enthüllungen in BILD, Spiegel, FAZ, SZ, Focus und anderen Medien publik. Die Reise wurde nicht offiziell angekündigt, es gab keine Transparenz über Teilnehmerlisten, Inhalte oder Finanzierung. Erst auf Nachfrage behauptete Stegner, er habe „alles selbst bezahlt“ – eine Rechtfertigung, die eher wie eine Schutzbehauptung wirkt als wie glaubhafte Offenlegung.

Medienstrategien und Talkshow-Rhetorik – Wie Stegner seine Bühne nutzt

Ralf Stegner hat das politische Fernsehen zu seiner Hauptarena gemacht. Er ist kein Strippenzieher im Hintergrund, kein unbekannter Ausschussarbeiter, sondern ein notorischer Talkshow-Protagonist – mit einer offenbar in Beton gegossenen Haltung. Im Jahr 2024 zählte ihn Statista zu den zehn am häufigsten eingeladenen Talkshowgästen – mit insgesamt zwölf Auftritten landete er auf Platz 8 der Rangliste.

In Formaten wie Maischberger und Hart aber fair inszeniert er sich nicht etwa als analytischer Sozialdemokrat mit Verantwortung für Regierungsentscheidungen, sondern als oppositioneller Moralist im Gewand des Bundestagsabgeordneten.

In der Sendung Maischberger vom 17. Juni 2025 wurde dies besonders deutlich. Während der Politikwissenschaftler und Hochschullehrer Carlo Masala nüchtern über die Risiken eines eskalierenden Nahostkonflikts und die Lage in der Ukraine sprachen, bediente Stegner die alte Leier vom „Kriegstreiber-Narrativ“. Er unterstellte der Bundesregierung, sie vertrete amerikanische Interessen, sprach nebulös von „Kriegsverlängerung“ und vermied konsequent eine klare Schuldzuweisung an Russland. Masala warf ihm daraufhin vor, er benutze „verschwörungstheoretische Sprache“ – ein bemerkenswerter Satz in einer öffentlich-rechtlichen Runde.

Nur wenige Wochen zuvor war Stegner bei Hart aber fair aufgetreten, um sich zur Baku-Affäre zu äußern. Er bemühte sich, die Reise herunterzuspielen, behauptete, sie sei privat, selbst bezahlt, „reiner Dialog“. Konfrontiert mit der Tatsache, dass er mit Putin-nahen Abgeordneten zusammentraf, geriet er unter Druck – wich jedoch aus, sprach von „Doppelmoral“ des Westens und lenkte das Gespräch auf angebliche Fehler der Ukraine-Politik.

Diese Auftritte folgen einem wiederkehrenden Muster:

  • Rhetorischer Nebel: Stegner formuliert schwammig, vermeidet klare Positionierungen, arbeitet mit Relativierungen und Einzelfalllogik.
  • Moralischer Gestus: Er stellt sich als Opfer von „Hass und Hetze“ dar, während er selbst massiv polarisiert und polemisiert.
  • Gegenöffentlichkeit: Er nutzt Talkshows, um eine Gegenposition zur eigenen Regierung zu inszenieren, als ob er nicht Teil des Systems wäre, das er gleichzeitig untergräbt.

Damit spricht er exakt jene Bevölkerungsschicht an, die sich von einer „Mainstream-Politik“ entfremdet fühlt – ohne jedoch ins AfD-Spektrum zu kippen. Stegner bietet eine sozialdemokratische Version des Putin-Verstehertums, garniert mit Empörung über „Rüstungslobby“ und „Kriegsprofiteure“. Es ist ein Spiel mit dem Feuer: Sprachlich bleibt er knapp unterhalb der Verschwörungstheorie, politisch jedoch liefert er Wasser auf die Mühlen antiwestlicher Narrative.

Die Tatsache, dass Stegner regelmäßig eingeladen wird, zeigt das strukturelle Versagen weiter Teile der Medienlandschaft, Konfrontation nicht nur zuzulassen, sondern zu reproduzieren – auch wenn sie auf Kosten demokratischer Klarheit geht. Talkshow-Rhetorik ersetzt kein verantwortliches Regierungshandeln. Und doch wird genau das in seinem Fall systematisch verwechselt – von ihm selbst und von jenen, die ihn einladen.


Das Manifest und die neue Russlandfraktion in der SPD

Am 11. Juni 2025 veröffentlichte ein Kreis prominenter SPD-Vertreter:innen ein sogenanntes Friedensmanifest, das unter dem Titel „Russland wird nicht aufgeben“ die Kapitulationsbereitschaft westlicher Demokratien in wohlklingende Floskeln verpackte. Ralf Stegner war einer der Erstunterzeichner – zusammen mit anderen bekannten Relativierern russischer Kriegsverbrechen wie dem ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich.

Das Dokument ist in Tonlage wie Inhalt ein Frontalangriff auf die außenpolitische Realität. Es fordert eine Rückkehr zu Verhandlungen, ohne dass Russland seine Aggression einstellt. Es stellt die Lieferung von Waffen an die Ukraine infrage, spricht von „Eskalationsspirale“ und „zunehmender Kriegslogik“, vermeidet aber jede klare Verurteilung des Aggressors. Stattdessen wird das Bild eines konfliktscheuen, von geopolitischen Interessen verwirrten Westens gezeichnet – ein Narrativ, das sich mit russischer Propaganda deckt.

Stegners Unterschrift unter diesem Text ist keine Nebensächlichkeit. Er steht damit in der ersten Reihe einer innerparteilichen Fraktion, die sich längst von der Grundlinie sozialdemokratischer Außenpolitik entfernt hat. Sie ist nicht mehr geprägt vom Geist Willy Brandts, sondern von einer gefährlichen Mischung aus Nostalgie, Realitätsverweigerung und geopolitischer Naivität.

Besonders perfide: Das Manifest bedient sich einer moralischen Sprache, die vorgeblich auf Friedensethik fußt, in Wahrheit aber auf der Preisgabe des Völkerrechts basiert. Indem es eine diplomatische Lösung fordert, ohne russischen Truppenabzug oder Reparationen zur Bedingung zu machen, wird die Ukraine faktisch zur Verhandlungsmasse degradiert.

Der Historiker Jan Claas Behrends, Osteuropa-Experte und einer der schärfsten Kenner russischer Propagandastrategien, bezeichnete das Manifest im SPIEGEL treffend als gezielte Mythenbildung. Es schreibe Geschichte um, indem es Russland als Ordnungsmacht stilisiere und gleichzeitig die Verantwortung für den Krieg den USA in die Schuhe schiebe. Es handle sich, so Behrends, um eine rhetorische Verkehrung von Begriffen wie Frieden, Diplomatie und Verantwortung – im Sinne einer Sprache, die direkt aus dem Werkzeugkasten der Autokraten stammt.

Besonders alarmierend ist laut Behrends, dass dies nicht aus Naivität geschehe, sondern als strategischer Akt. Teile der deutschen Linken – explizit benennt er Akteure wie Stegner – übernähmen gezielt Narrative, die auf Spaltung und Delegitimierung westlicher Demokratien abzielten. Das sei keine außenpolitische Debatte mehr, sondern Teil einer Informationsstrategie, die auf die Schwächung des inneren Zusammenhalts Europas ziele.

Diese Einschätzung liefert den theoretischen Unterbau für das, was das Manifest politisch anrichtet: Es vernebelt den Aggressor, moralisiert gegen die Verteidiger und stellt die Solidarität mit der Ukraine als kriegslüsternes Projekt dar. Genau diese semantische Umkehr ist es, die das Manifest – und mit ihm seine Erstunterzeichner wie Stegner – so gefährlich macht.

Diese Einschätzung wird sogar aus den eigenen Reihen gestützt: SPD-Parteichef Lars Klingbeil erklärte am 12. Juni 2025 im SPIEGEL, er fühle sich durch das Manifest zwar „nicht persönlich angegriffen“, halte es aber für „politisch und moralisch falsch, wie da mit einem Krieg umgegangen wird“. Damit zieht Klingbeil eine deutliche Trennlinie zur Fraktion der Unterzeichner – und bekräftigt indirekt, dass es innerhalb der SPD eine Russland-freundliche Abspaltung gibt, die mit der offiziellen Parteilinie nicht mehr vereinbar ist, sich aber trotz alledem weiterhin in Talkshows produzieren kann, was am Ende im Namen der SPD erfolgt.

Was bleibt, ist ein gravierender Legitimationsverlust – für die SPD, für den demokratischen Diskurs und für die sicherheitspolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands. Wer ein solches Manifest unterschreibt, gleichzeitig Zugang zu sensiblen Regierungsinformationen hat und kein Problem hat mit einer Chimäre aus halb privaten, halb offiziellen Reisen, muss sich die Frage gefallen lassen, auf welcher Seite er steht – und für wen er spricht.


5. Reisen, Netzwerke, Geld – Wer steht hinter Stegners Kontakten?

Die Frage nach politischer Integrität lässt sich kaum schärfer zuspitzen als in der Kombination von intransparenten Auslandsreisen, undurchsichtigen Netzwerken und ausweichenden Antworten auf einfache Fragen: Wer lädt ein? Wer zahlt? Und wessen Interessen werden vertreten?

Im Zentrum dieser Fragen steht erneut Ralf Stegner.

Bereits vor der Baku-Affäre war der SPD-Politiker durch eine frühere Russlandreise aufgefallen, bei der er „vergaß“, die Mitreise seiner Ehefrau offenzulegen. Auch zu den Finanzierungshintergründen gab es widersprüchliche Angaben. Diese Reise – medial kaum thematisiert, aber politisch brisant – war ein Vorläufer jenes Musters, das sich 2025 in Baku wiederholt:

  • keine volle Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit,
  • Unklarheit über Einladende und Kosten,
  • und das scheinbar routinierte Unverständnis darüber, warum all das problematisch sein könnte.

Die Reise nach Baku jedoch brachte das Fass zum Überlaufen. Begleitet von weiteren SPD- und AfD-Abgeordneten traf Stegner dort auf russische Duma-Vertreter, darunter sanktionierte Kreml-Propagandisten und direkte politische Unterstützer des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Obgleich keine offizielle Bundestagsdelegation, wurde das Treffen von der russischen Seite sehr wohl als solcher PR-Coup verwertet – inklusive medialer Ausschlachtung durch russische Staatskanäle.

Stegner behauptete später im SPIEGEL, die Reise sei „privat“ gewesen und „alles selbst bezahlt“. Doch schon bei dieser Aussage beginnen die Widersprüche:

  • Warum traf er sich dann in offizieller Funktion mit Parlamentsvertretern eines Aggressorstaates?
  • Warum lagen im Vorfeld keinerlei Informationen zur Reise vor?
  • Und warum taucht sein Name in russischen Presseveröffentlichungen als offizieller Gesprächspartner auf?

Der Berliner Publizist Enno Lenze brachte es in einem Kommentar auf den Punkt: „Wer zahlt, wenn Stegner reist?“ Diese Frage ist mehr als nur haushaltspolitisch. Sie verweist auf die Gefahr, dass westliche Parlamentarier gezielt in geopolitische Einflussoperationen eingebunden werden – unter dem Deckmantel vermeintlicher Dialogformate.

Die Finanzierung solcher Reisen, so Lenze, müsse zwingend offengelegt werden. Denn auch vermeintlich „private“ Einladungen könnten durch Drittorganisationen oder NGOs mit Nähe zu russischen Stellen abgewickelt werden. Und hier wird es sicherheitspolitisch: Wer sich wiederholt in intransparente Reisen begibt, Kontakte zu Autokratenvertretern pflegt und dies gegenüber dem Bundestag nicht vollständig offenlegt, bringt sich in den Verdacht der politischen Erpressbarkeit.

Es ist diese potenzielle Erpressbarkeit – sei sie materiell, informell oder reputativ –, die in direktem Widerspruch zur Mitgliedschaft in sicherheitssensiblen Ausschüssen steht. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu wissen, wer Einfluss auf gewählte Volksvertreter ausübt. Und die Parteien haben die Pflicht, ihre Mitglieder vor solchen Abhängigkeiten zu schützen – oder sie aus dem Verkehr zu ziehen.

Im Fall Ralf Stegner liegt die Verantwortung nicht allein bei ihm, sondern auch bei jenen, die ihn immer wieder decken, einladen, nominieren. Die Baku-Connection war kein Einzelfall. Sie war ein Symptom. Und wenn die SPD ihn weiterhin in sicherheitspolitische Schlüsselpositionen setzt, dann nicht trotz, sondern wegen dieses Symptoms.


Reaktionen – Kritik aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik

Die Baku-Affäre und das sogenannte Friedensmanifest blieben nicht folgenlos. Zwar reagierten viele etablierte Medien zunächst zögerlich, doch mit der wachsenden Zahl an kritischen Stimmen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft formierte sich eine breite Allianz der Warnenden – gegen Stegner, gegen das Manifest, gegen das Wiedererstarken russlandfreundlicher Strukturen in der deutschen Politik.

Der Historiker Jan Claas Behrends warnte eindringlich vor dem, was er als „gezielte Mythenbildung“ bezeichnete. Das Manifest schreibe Geschichte um, verschiebe Schuldverhältnisse und bediene sich einer Sprache, die den Begriff „Frieden“ systematisch pervertiere. Diese Einschätzung wurde von weiteren Osteuropa-Expert:innen geteilt, die auf die frappierende Nähe der Manifest-Rhetorik zu bekannten Mustern russischer Desinformation hinwiesen.

Aus der Zivilgesellschaft meldeten sich unter anderem Aktivist:innen der Ukraine-Solidaritätsbewegung zu Wort. Sie warfen den Unterzeichnern des Manifests vor, die Realität des Krieges zu verharmlosen und der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung abzusprechen. In sozialen Medien und Offenen Briefen machten sie deutlich, dass diese Art von Appeasement eine moralische wie politische Kapitulation darstelle.

In der internationalen Presse wurden Stegners Äußerungen und seine Baku-Reise mit wachsendem Unverständnis aufgenommen. Die Washington Post schrieb von einem „deutschen Sozialdemokraten auf dem Weg ins moralische Niemandsland“, die Le Monde sprach von einem „gefährlichen Bruch mit der realpolitischen Vernunft“.

Was auffällt: Während die offizielle Regierungslinie weiterhin die Solidarität mit der Ukraine betont, agieren Figuren wie Stegner als innere Gegenregierung – rhetorisch, moralisch und geopolitisch. Sie unterlaufen nicht nur den außenpolitischen Kurs der Ampel, sondern schwächen auch die Position Deutschlands innerhalb der EU und der NATO.

Die Reaktionen auf das Manifest zeigen: Es gibt noch Gegenkräfte. Doch ob sie sich durchsetzen, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die SPD den Mut aufbringt, sich endlich von ihrer russlandfreundlichen Erblast zu trennen. Stegner wäre der erste, der gehen müsste.


Die Normalisierung des Abgrunds

Ralf Stegner, ein Mann, der in den vergangenen Wochen viel Kritik einstecken musste, gilt selbstverständlich nicht als Fall für das Strafrecht. Wobei sich die Frage stellt, ob er sich in der Grauzone zwischen strafrechtlicher Relevanz und politisch-moralischer Verantwortung nicht schon zu weit aus dem Fenster gelehnt hat.

Die Verteidigung demokratischer Institutionen beginnt nicht erst an den Außengrenzen, sondern im Inneren – dort, wo die Aushöhlung durch Narrative, Netzwerke und Normalisierung stattfindet. Ob Ralf Stegner tatsächlich kein Fall für das Strafrecht ist, darf daher keineswegs vorschnell beantwortet werden. Wer Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen hat, sich mit Vertretern eines feindlichen Staates trifft und die Transparenz darüber verweigert, bewegt sich gefährlich nah an den Grenzen der §§ 94 ff. StGB – Landesverrat, geheimdienstliche Agententätigkeit, Preisgabe von Staatsgeheimnissen. Wurde das geprüft? Wer hat das ausgeschlossen? Die bloße Versicherung Stegners, alles sei harmlos, darf keine Grundlage für politische Nachsicht sein. Die politische Konsequenz ist das Mindeste – eine juristische Prüfung wäre das Gebot der Stunde. Wer demokratische Prozesse mitgestaltet, trägt Verantwortung. Und wer diese Verantwortung missbraucht, darf sie nicht weiter ausüben.

Die Forderung, Stegner aus sicherheitsrelevanten Ausschüssen zu entfernen, ist keine Denunziation, sondern ein Akt der Selbstbehauptung. Es geht nicht darum, unliebsame Meinungen zu unterdrücken, sondern darum, Grenzen zu markieren: zwischen Kritik und Komplizenschaft, zwischen Debatte und Desinformation, zwischen parlamentarischer Immunität und politischer Immunisierung gegen jeden Vorwurf.

Demokratien sind fragil. Ihre Feinde lernen – und sie lernen schnell. Wer das Spiel der Autokraten mitspielt, auch wenn er sich selbst für einen Moralist in Diensten des Friedens hält, liefert Argumente für all jene, die die liberale Ordnung von innen schwächen wollen. Deshalb darf man auch nicht bei Stegner stehenbleiben. Die Netzwerke, die ihn tragen, die Medien, die ihn verharmlosen, und die politischen Strukturen, die ihn schützen, gehören auf den Prüfstand.

Der „Fall Stegner“ ist keine Abrechnung mit einem Mann, sondern ein Prüfstein für die politische Integrität einer Republik, die zu oft wegsieht, wenn der Anstand politisch unbequem wird. Ralf Stegner ist kein Einzelfall. Von Rolf Mützenich über Matthias Miersch bis hin zu Vertretern der Union wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer: Das Agieren mancher deutscher Politiker geht weit über ein normales Verteidigen der Fürsprache für Russland hinaus. Es ist Teil einer strukturellen Verschiebung im politischen Koordinatensystem, bei der autoritäre Positionen normalisiert, westliche Bündnisse relativiert und die demokratische Selbstbehauptung delegitimiert werden.

Nicht jeder Schaden entsteht durch einen Skandal. Manche beginnen mit Routine, setzen sich durch Gewöhnung durch – und enden als neue Normalität. Genau darin liegt das Risiko, das Ralf Stegner verkörpert: Nicht in einem Regelbruch, sondern in der systematischen Aushöhlung des politischen Kompasses durch Duldung, Einladung und Wiederholung.

Wenn jemand wie Stegner wiederholt mit russischen Duma-Abgeordneten verkehrt, unterschwellig NATO-Skepsis streut, sich selbst als Stimme der Vernunft inszeniert und dennoch in sicherheitspolitischen Gremien bleibt, dann entsteht der Eindruck: Das ist erlaubt. Das ist Teil des Diskurses. Das ist politisch legitim.

Doch genau das ist es nicht. Eine Demokratie muss wehrhaft sein – nicht nur gegen die äußeren Bedrohungen, sondern auch gegen ihre inneren Widersprüche. Und Stegner verkörpert einen dieser Widersprüche in Reinform: ein gewählter Volksvertreter, der sich rhetorisch von der Verteidigung der Freiheit entfernt, während er institutionell an deren Absicherung mitwirkt.

Wer ihn als Schrulle abtut, verkennt das Ausmaß seines Wirkens. Wer seine Wortwahl als bloße Meinung duldet, verkennt die Mechanismen der Destabilisierung. Und wer ihn gewähren lässt, trägt Verantwortung dafür, dass sich Einflusszonen autoritärer Prägung mitten in der demokratischen Infrastruktur der Bundesrepublik etablieren können.

Stegner ist kein harmloser Irrläufer. Er ist ein politischer Akteur mit systemischer Wirkung – und genau deshalb ist sein Verbleib in sicherheitspolitischen Ausschüssen ein Risiko, das sich Deutschland nicht länger leisten kann.

Und darum muss damit Schluss sein. Jetzt!


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