Der Westen zahlt, um sein Gewissen freizukaufen
Selenskyj ist dankbar – aber er kennt uns genau
Schon die Ankündigung des Ronzheimer-Podcasts mit Wolodymyr Selenskyj erzeugte so etwas wie eine intime Nähe.
Als fleißige Ronzheimer-Hörer gehört der Podcast zu unserem Tagesritual.
Nun also Selenskyj. Der Mann der Stunde, der polarisiert, wie kaum ein anderer.
Die Erwartung vieler Hörer:innen war sicher hoch:
In unserem Hörerzirkel gab es bestimmt einige, die Selenskyj übermitteln wollten, wenn es denn ginge:
Wir sind da. Wir sehen dich. Wir stehen hinter dir. Lass dich mal drücken!
Doch wir hören Ronzheimers vertraute Stimme. Und Selenskyj – dessen Stimme allein pure Emotion ist. Er schenkt hier seine Zeit, lässt den Interviewer aber nicht wirklich an sich heran.
Das liegt nicht an Ronzheimer.
Selenskyj kann sich mehr nicht leisten.
Nicht in Odessa. Nicht in diesem Krieg. Nicht hier im Interview.
Es ist Nähe da. Ein Gespräch unter Freunden. Aber auch eins, in dem dieser Freund für ein höheres Ziel nicht offen sprechen kann.
Denn Selenskyj ist Profi. Er weiß, dass jedes Wort von ihm wohlgesetzt sein muss, als würde er sich durch ein Minenfeld tasten.
Und dennoch fällt dieser Satz – beiläufig, fast entschuldigend – aber messerscharf:
„Sie wollten keine harten Sanktionen. Sie sagten: Das schadet unserer Wirtschaft. Aber sie waren bereit, uns Geld zu geben.“
Es ist der Schlüsselsatz.
Kein Vorwurf – aber auch kein Trost.
Eine Diagnose über den Westen:
Er hilft – aber nur so weit, dass es ihm selbst nicht weh tut.
Und wir wissen, dass er recht hat.
Putins Strategie, Trumps Wirkung – und die stille Warnung
Selenskyj erklärt, worauf Russland wirklich setzt:
Nicht auf Blitzsiege – sondern auf Zermürbung.
Putins Strategie ist es, dass der Krieg sich hinzieht, ohne internationale Partner, ohne westliche Sanktionen.
Ein Krieg, der sich irgendwann leerläuft, während Russland seine Bedingungen diktiert.
Und Trump?
Selenskyj spricht seinen Namen mit äußerster Vorsicht aus und schenkt ihm nach außen hin mehr Vertrauen, als wir es je könnten.
Als wolle er sich durch Autosuggestion eine andere Welt erschaffen.
Doch zu Mahnungen ist der ukrainische Präsident bereit:
Wenn Trump die Unterstützung kappt, steht nicht nur die Ukraine ohne Hilfe da.
Dann könnten, so sagt er es, auch andere getroffen werden.
Vielleicht Polen. Das Baltikum. Die NATO. Die EU.
Selenskyj sagt es nicht, aber er verrät es uns zwischen den Zeilen.
Es ist keine Drohung. Kein Alarmismus.
Es ist strategische Klarheit – mit für alle sehr realen Risiken.
Deutschland: Zu viel Verpackung, zu wenig Klarheit
Deutschland kommt im Podcast nur am Rande vor.
Selenskyj lobt Olaf Scholz – ungewöhnlich deutlich.
Vielleicht, weil er weiß, dass ein Dank in Krisenzeiten stabiler ist als Kritik.
Und es in diesem Krieg inzwischen so etwas wie die guten alten Zeiten gibt:
Als Biden und Scholz zwar zögerten, aber verdammt nochmal lieferten – auch wenn die Hilfen oft tröpfchenweise kamen.
Und Friedrich Merz?
Wieder perlt an Selenskyj alles ab.
Es gibt keinen Tadel, keine Hoffnung.
Nur diplomatisches Abtasten.
Der Taurus wäre ein wichtiges Zeichen – aber Selenskyj muss das gar nicht lange erörtern.
Der Taurus ist längst ein Symbol geworden:
Für unseren Mut, Entschlossenheit und den Willen, dass Russland diesen Krieg verlieren muss.
Krieg als Motor für die Technik – auch für den Feind
Einer der stillsten, aber gefährlichsten Sätze im Podcast:
„Der Krieg entwickelt unsere Technologie weiter. Aber auch die der Russen.“
Was das bedeutet?
Je länger wir zögern und Putin Zeit geben, desto klüger wird auch der Feind.
Russland testet. Lernt. Passt sich an.
Es geht nicht nur um Opfer, um Eroberungen.
Die Zeit spielt hier auch gegen uns.
Denn je stärker sich Russland technisch weiterentwickeln kann,
desto bedrohlicher wird das – nicht nur für die Ukraine.
Was, wenn Ihr Sohn sagt: Papa, ich gehe nicht an die Front?
Gegen Ende stellt Ronzheimer die persönlichste Frage:
Selenskyj antwortet ausweichend.
Er spricht über Verantwortung. Über Menschlichkeit. Sagt:
„Menschen sind kein Holz.“
Mehr braucht er nicht sagen.
Und doch steht in diesem Nicht-Gesagten alles.
Er kann nicht sagen, was jeder Vater denken würde.
Und er darf nicht sagen, was ein Präsident nicht sagen darf.
Also sagt er am Ende eher: nichts.
Der Präsident als Projektionsfläche
Selenskyj wird oft als der Churchill unserer Zeit bezeichnet.
Ein Präsident, der Haltung bewahrt. Der nicht weicht. Der führt.
Und das stimmt.
Aber er selbst sagt den Satz, der mehr über Einsamkeit verrät als jede Heldenpose:
„Ich bin ein ganz normaler Mann. Aber ich bin Präsident. Und deshalb werde ich meine dunklen Tage mit niemandem teilen.“
Und doch bleibt etwas unausgesprochen
Was fehlt in diesem Podcast, ist nicht Wahrheit.
Nicht Klarheit. Nicht Analyse.
Es fehlt Nähe.
Die Nähe, die wir suchen – und die er sich selbst nicht erlauben darf.
Nur in der Tiefe seiner Stimme – dort, wo Sätze sich sammeln, bevor sie fallen –
dort hören wir, was er nicht sagen kann.
Die Müdigkeit. Die Wucht. Das Alleinsein.
Wir würden ihn gern in den Arm nehmen.
Aber wir dürfen nicht. Noch nicht.
Wir müssen warten, bis er und seine Ukrainer den Krieg gewonnen haben.
Bis dahin gilt für ihn – und für uns Unterstützer:
Durchhalten. Mut haben. Kämpfen.
Denn so viel Nähe wir spüren mögen –
es ist sein Krieg. Nicht unserer. Noch nicht.