Die Ukraine muss möglichst langsam sterben, damit die NATO Zeit gewinnt

Mark Rutte lobt Trump, ignoriert die Ukraine – und zeichnet eine Weltordnung, in der die Aufrüstung der NATO wichtiger ist als die Verteidigung der Ukraine.
Warum lobt NATO-Generalsekretär Mark Rutte in einem Interview mit der New York Times erneut ausgerechnet den Mann, der der Ukraine gerade die Waffen verweigert?
Weil er offenbar nichts mehr fürchtet als Trumps Stimmung – und ihn nichts weniger interessiert als der reale Kriegsverlauf in der Ukraine. Schlimmer noch: Rutte sieht die Ukraine nicht als Opfer eines brutalen Angriffskriegs, sondern als Puzzleteil für die Sicherheit der NATO-Mitgliedsstaaten.
In einem 40-minütigen Interview rechtfertigt Rutte gegenüber der eher skeptischen Journalistin Lulu Garcia-Navarro von der New York Times, Trump „verdiene all das Lob“, denn ohne ihn hätte es die neue NATO-Finanzierungsvereinbarung niemals gegeben.
„President Trump deserves all the praise, because without his leadership, without him being re-elected […] we would never, ever, ever have been able to achieve agreement on this.“
Diese Aussage wiederholt er unbeirrt nach seinem devoten Auftritt auf dem NATO-Gipfel in Den Haag nachdem Trump inzwischen das Signal gesendet hat, keine weiteren Waffen an die Ukraine zu liefern – und selbst bereits zugesagte Systeme vorerst blockiert bleiben. In Polen lagern US-Waffen, die die Ukraine dringend zur Luftabwehr bräuchte – aber sie kommen nicht an, weil Trump es nicht will.
Der Niederländer schwärmt von „100 Prozent US-Engagement“, von „absolut keiner Unsicherheit“ bezüglich Artikel 5 – lässt dabei aber die Ukraine komplett aus der Debatte verschwinden. Kein Appell. Kein Aufruf. Kein Druck. In diesem Interview geht es ihm ausschließlich um Strategierhetorik. Nur um Selbstvergewisserung.
Denn die Ukraine ist für den NATO-Generalsekretär in diesem Interview kein Partner, kein Opfer, kein Thema.
Sie ist nur eine Bauernfigur auf dem geopolitischen Schachbrett – ein Zeitpuffer, der Russland beschäftigen soll, bis der Westen aufgerüstet ist.
Denn folgender Satz wirkt nur vordergründig so, als hätte Rutte etwas ausgesprochen, was ohnehin jeder lange denkt. Eigentlich liefert er die Begründung dafür, warum der Ukraine noch immer niemand zu Hilfe eilt, im Gegenteil:
“If Xi Jinping would attack Taiwan, he would first make sure that he makes a call to his very junior partner in all of this, Vladimir Vladimirovich Putin, residing in Moscow, and telling him: ‘Hey, I’m going to do this, and I need you to keep them busy in Europe by attacking NATO territory.’”
Das ist das grundlegende Szenario, auf das sich die NATO vorbereitet. Aber Rutte sagt weiter:
„There is one big irritant. And that is the fact that Europeans since Eisenhower have not paid their fair share. And […] finally, for the first time in recent history, European allies will pay the same as the US.“
Kurz davor:
„Russia is on the war economy, is on the war footing in every sense.“
Was da zwischen den Zeilen steckt:
- Russland ist im Vollkriegsmodus.
- Die NATO ist noch nicht bereit, sie muss stark aufrüsten.
- Die USA wollen sich nicht in Europa verausgaben.
- Aber „gut“, dass die Europäer jetzt mehr zahlen.
- Die Ukraine? Keine Priorität.
Aber sie hält Russland gerade beschäftigt – und das sagt Rutte an anderer Stelle eben doch.
Subtext (nicht wörtlich, aber zwischen den Zeilen):
„Wir brauchen Zeit – Russland soll sich weiter an der Ukraine abarbeiten, bis wir unsere Rüstungsziele erreichen, um China gewappnet gegenüberzustehen.“
Das ist die Welt, in der Rutte operiert.
Nicht mehr: „Die Ukraine muss gewinnen.“
Nicht mehr: „Russland muss gestoppt werden.“
Sondern:
Wie lange können wir Russland mit der Ukraine beschäftigt halten, damit China sich nicht traut, Taiwan zu nehmen – und wir bis dahin Zeit haben für die Aufrüstung?
Die Ukraine ist also – ganz real – ein geopolitisches Sandkorn im Getriebe einer größeren Eskalationsvermeidung. Eine Zeitmaschine, da sie dem Westen Luft verschafft.
Und wer glaubt, das sei ein Verschwörungsnarrativ, muss sich nur Ruttes eigene Logik anhören:
- Russland ist auf Kriegswirtschaft.
- Europa müsse endlich ernst machen.
- Die USA seien „absolut verlässlich“.
- China plane, Russland als strategischen Ablenkungsangreifer einzusetzen.
Was folgt daraus?
- Dass man die Ukraine weiterkämpfen lässt – ohne sie siegen zu lassen.
- Dass man sie bewaffnet – aber nicht durchgreifend schützt.
- Dass man sie bewundert – aber strategisch ausbluten lässt.
Damit der Westen aufrüsten kann. Für später. Für den „eigentlichen Krieg“.
Die Ukraine?
Sie spielt im Interview kaum eine Rolle, ist aber das Faustpfand der NATO.