Endlich Dialog! Deutsche Möchtegern-Friedensdelegation im Kreml
Linke, Rechte, Realpolitiker – vereint im Kreml, um Putin zu verstehen. Doch während sie noch diskutieren, was Russland „fühlt“, hat Trump längst verhandelt. Eine fiktive Begegnung, die der Realität verdammt nahekommt.

19.05.2025
Juni 2025, Moskau. Die deutsche Delegation will Frieden – und landet in einem geopolitischen Kammerspiel, das sich längst gegen sie selbst richtet. Ein Dialogtext aus der nahen Zukunft.
Hinweis: Dieser Text wurde ursprünglich am 19. Mai 2025 veröffentlicht. Er entwirft ein fiktionales Szenario, das auf realen politischen Tendenzen basiert.
Ort: Kreml, Empfangssalon
Datum: Juni 2025
Eine heiß ersehnte und lang erwartete prominente deutsche Friedens-Delegation hat sich auf den Weg gemacht – im Auftrag des SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch.
Hierzu wurden Vertreter aus Parteien, Medien und Wissenschaft handverlesen, die bereits eine Stimme in großen Teilen der deutschen Bevölkerung haben und Vertrauen in Russland genießen.
Mit dabei: Sarah Wagenknecht, Heribert Prantl, Johannes Varwick, Fabio De Masi, Ralf Stegner.
Die Delegation ist im Kreml angekommen. Sie wird in einen großen Saal geführt. Gold, Samt, schwere Türen.
Kovaljew, stellvertretender Abteilungsleiter für „Strategische Kommunikation mit westlichen Freunden“ im russischen Außenministerium, kommt herein.
Kovaljew (sichtlich müde, verbeugt sich dennoch höflich):
Willkommen im Kreml. Es ehrt uns, dass Deutschland bereit ist, aus seinen Fehlern zu lernen.
Wagenknecht (setzt sich mit bedeutungsvoller Miene und rückt dabei ihren engen Kostümrock zurecht):
Wir sind hier, weil wir die Stimme der Vernunft sind! Wir vertreten das andere Deutschland. Ein Deutschland mit Rückgrat. Das aufsteht! Das nicht wieder Panzer gegen Russland rollen lässt wie einst die Nationalso…
Plötzlich öffnet sich die Tür. Tino Chrupalla und Petr Bystron betreten breitbeinig und grinsend den Saal, begleitet von einer russischen Assistentin.
Wagenknecht (sichtbar irritiert und empört):
...zialisten... Was machen Sie denn hier?
De Masi (intellektuell überlegen zurückgrinsend):
Wenn man vom Teufel spricht…
Chrupalla (triumphierend):
Wir vertreten eben auch die Stimmen aus Deutschland. Sogar noch viel mehr Stimmen als Sie. Also haben uns auf juristischem Wege die Tickets nach Moskau erstritten. Dialog, schon vergessen?
Prantl (leise, mehr zu sich selbst):
Ein Dialog, der in alle Richtungen zerfällt… Das ist doch grotesk. Wir kommen aus dem Antiimperialismus. Und das sind die Rechten!
Chrupalla (grinst):
Da schauen Se! Aber was Russland angeht, sind wir uns doch irgendwie... einig. Oder nicht?
Keine Waffen an die Ukraine. Kein NATO-Beitritt. Und Trump – der macht’s halt richtig.
De Masi (versucht sich abzugrenzen):
Wir sind gegen US-Hegemonie.
Sie aber sind die Reaktion.
Sie sind gegen Demokratie!
Bystron (lachend):
Aber wir kommen zur gleichen Schlussfolgerung: Russland wurde provoziert, die Ukraine ist korrupt, die NATO war schon 2014 der Aggressor. Zum Glück ist jetzt Trump da, der aufräumt.
Wagenknecht (sichtlich angespannt):
Entschuldigen Sie bitte, aber wir kommen ja aus ganz anderen Denktraditionen. Hören Sie auf...
Bystron (setzt sich):
Ach, hören Sie doch auf. Als hätten Sie die Weisheit für sich gepachtet. Unser Gegner sitzt jedenfalls nicht in Washington – und auch nicht in Moskau. Er sitzt in Berlin. Und das sehen Sie doch ganz genauso. Oder warum sind Sie hier?
Kovaljew hat bisher geschwiegen. Nun hebt er den Blick.
Kovaljew (streng):
Genug.
Sie sind ein, sagen wir, ... etwas schwieriges Ensemble.
Sie – die Linken – träumen von einer friedlichen, multipolaren Weltordnung.
Und Sie – die Rechten – von einem autoritären Eurasien unter Männlichkeitskult.
Und beide stehen Sie hier – in Moskau –
und halten uns Vorträge,
anstatt endlich etwas Handfestes anzubieten.
Stille.
Wagenknecht (sich ertappt fühlend, nun feierlich konzentriert):
Wir sind hier mit einem klaren Ziel: den Frieden durchzusetzen. Ohne weitere Waffen. Ohne amerikanische Eskalation. Wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass keine Waffen mehr aus dem Westen in die Ukraine gelangen. Erst dann kann Dialog stattfinden. Es kann nur verhandelt werden, wenn die Waffen schweigen.
Kovaljew (blickt auf seine Papiere und blättert):
Moment... lassen Sie mal schauen, das stand doch hier irgendwo...
Ach, ja, hier... Das hatte Präsident Trump ja bereits umgesetzt. Anfang März, Sie erinnern sich? Waffenstopp. Auch Aufklärung eingestellt.
(Verzieht den Mund)
Schmerzhafter, aber nötiger Schritt. Und Gespräche? Moment… (er blättert) ... nein, Gespräche gab es trotzdem nicht.
Hach, lag wohl ausnahmsweise an uns (kichert leise).
Lief gerade gut. Und wir wollen ja auch die Ziele unserer Spezialoperation nicht gefährden, nicht wahr? Zumal, wenn wir so feinen Rückenwind haben.
De Masi (kurz irritiert):
Nun, wir sind vor allem gekommen, um die Grundursachen des Konflikts endlich zu adressieren, sind wir nämlich überzeugt: Die Ukraine darf keine NATO-Perspektive mehr haben. Das gefährdet nur die Sicherheitsarchitektur Europas.
Bystron (reingrätschend und seine Chance witternd):
Sicherheitsarchitektur? Was soll das Geschwafel! Es geht ums Gas. Wir wollen Nord Stream zurück!
Das will Deutschland!
Kovaljew (abwinkend):
Sehr schön! Sehr schön, die Herren!
Moment, lassen Sie mich kurz schauen. Natzo-Perspektive, Gas... wo haben wir es denn???
Ja, genau, hier ist es: Wurde schon notiert. Trump hatte sich bereits zur NATO öffentlich geäußert. Will die Ukraine nicht drin haben. Und wegen Nord Stream ... Moment – ja, da hat er auch schon vorgesprochen und will das mit uns zusammen... ach, Herr Bystron, wenden Sie sich doch bitte direkt an ihn, wenn das ginge, um eventuellen Ärger gleich am Anfang zu vermeiden.
(Lehnt sich angestrengt zurück)
Nun, meine Herren – und natürlich die gnädige Frau – Sie laufen thematisch ein bisschen hinterher. Gibt es sonst etwas Neues?
Varwick (pädagogisch):
Ja, wenn ich kurz kann? (blickt sich in der Runde um) Uns ist es ein inneres Bedürfnis, endlich ernsthaft die Perspektive Russlands einzunehmen, damit dieses schreckliche Sterben auf beiden Seiten aufhört. Wir sollten thematisieren, was passieren muss, dass die Waffen endlich schweigen, also diejenigen, die wir immer noch aus dem Westen liefern.
Kovaljew (sarkastisch):
Ja, ja, genau. Sehr gutes Stichwort. Lassen Sie mal sehen..., was muss passieren... ah, ja, da haben wir ja bereits einiges abhaken können.
Ich sehe hier: Ukraine in die NATO – durchgestrichen.
NATO-Osterweiterung – wird wohl erfolgen, wenn es nach Washington geht. Hab nen Smiley dran gemacht, (lächelt blöd) aber ist noch nicht durchgestrichen, richtig, Herr Professor!
Dann habe ich da noch westliche Dekadenz, Nazismus, Ukraine als anti-russisches Projekt, koloniale Marionette, Satanismus – ja, das wäre alles noch im Detail zu besprechen, aber ja, läuft gut.
Mh, nun, wenn ich das so sehe, wurde das alles von Trump bereits im Großen und Ganzen abgenickt. Im direkten Gespräch mit Präsident Putin. Oder über die Medien. Präsident Putin schätzt diese Bemühungen sehr! Seien Sie sich dessen gewiss!
Stegner (grimmiger als sonst, aber zugewandt):
Unsere Aufgabe ist es aber, auch von Deutschland aus Brücken zu bauen. Wir wollen alles unternehmen, dass nicht weiter irrsinnige Drohungen mit Taurus und Sanktionen ausgesprochen werden.
Wie Sie vielleicht wissen, (beugt sich nach vorne) suche ich schon lange den Dialog mit Russland.
Wir – auf Anregung meiner Partei – sind deshalb bereit, Ihnen zuzuhören. Um direkte Verhandlungen mit der Bundesregierung zu ermöglichen. Ohne Störgeräusche aus Washington!
Kovaljew (verzieht das Gesicht):
Fein, fein. Sehr gut, der Herr. Ja, ich habe von Ihrem Engagement bereits gehört (wühlt in seinen Akten). Sehr gut! Herr Stegner, nicht wahr?
Und was war Ihr heutiger Musiktipp auf X?
Stegner (grimmig, aber stolz):
Ach, Sie interessieren sich für...
Kovaljew (angewidert abwehrend):
Nein, das tue ich nicht! Aber ich frage Sie, was Sie glauben, was Witkoff letzte Woche mit Präsident Putin persönlich besprochen hat?
Der Mann hat uns versprochen, dass Washington zukünftig aufhören wird, sich bei uns einzumischen.
Wir reden nicht mehr nur von freundlicher Haltung. Wir reden von handfester Freundschaft – und echtem Einvernehmen mit dem Weißen Haus.
Deutschland wird sich so oder so beugen müssen. Auch, wenn es Ihrem Regierungspartner vielleicht wehtut.
Chrupalla (feixend):
Sehen Sie, Stegner – der Feind sitzt NICHT in Washington!
Kovaljew steht langsam auf, wird schärfer.
Kovaljew:
Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Damen und Herren. Wir schätzen Ihre Mühe. Ihren Ton. Ihre Rhetorik. Besonders aus Deutschland – das ist uns ein großes Anliegen.
Aber haben Sie sich eigentlich vorbereitet, bevor Sie gekommen sind? Haben Sie überhaupt gelesen, was unser Präsident wirklich will?
Er zieht ein Papier aus der Tasche, liest herunter leiernd:
„Ein neues Europa. Ein eurasischer Raum unter russischer Führungsrolle. Vom Pazifik bis zum Atlantik. Von Wladiwostok bis Portugal.“
Kovaljew (jetzt spitz):
Glauben Sie, wir reden hier über Donezk? Über Sicherheitsgarantien? Über besetzte Gebiete.
Über Friedensverhandlungen?
Nein, meine Freunde!
Wir reden über Wiederherstellung.
Über historische Größe.
Über russische Zivilisation.
Haben Sie dazu etwas mitgebracht?
Oder nur weichgekochte Kopien von Trumps Realpolitik?
(Abschätzig blickend)
Da hätte ich mir von der deutschen Linken ehrlich mehr erwartet.
Was Trump angeht, sind Ihnen die Vertreter der AfD wohl nicht nur in den Wahlergebnissen voraus.
Keiner sagt etwas. Nur Bystron und Chrupalla lächeln selig.
Kovaljew legt das Papier ruhig auf den Tisch, dreht sich um und verlässt den Saal.
Ende.