Kein Kanzlergrillen, eher Friede, „Freundschaft“, Eierkuchen

Merz gelang es mit starker Ukraine-Position, diesem Treffen so etwas wie Ernst einzuhauchen
Unser Kopfkino erwartete ein Kanzlergrillen
„Kommt jetzt das Kanzlergrillen?“, war am Mittag noch die Befürchtung, nachdem Trump kurzerhand den Tagesablauf verändert hatte, um Merz ins Oval Office zu zitieren.
Die Spannung war da, die Voraussetzungen ebenfalls: Trump, der erratische Gastgeber. Merz, der erste deutsche Kanzlerbesuch seit dem Machtwechsel in den USA im Januar.
Doch das, was folgte, war keine Konfrontation – sondern ein kalkulierter Showauftritt, bei dem Trump der Regisseur blieb.
Schon die Begrüßung offenbarte eine in letzter Zeit selten gesehenen Harmonie zwischen Trump und einem Gast.
Im Oval Office selbst kam Merz kaum zu Wort, aber er grätschte clever rein, sobald es dramaturgisch passte und Trump in seinem mäandernden Monolog kurz Luft holte.
Trump als Inszenierungsmaschine – und Merz kaum am Mikro
Trump sprach viel, oft und wie gewohnt lobend über sich selbst. Das einzige, was ihm wichtig ist. Nicht so wichtig ist ihm bekanntermaßen das Leid der Ukrainer.
Er fabulierte einen Vergleich zwischen Russland und der Ukraine als zwei zankende Kinder im Park. Man müsse sie erst ein bisschen kämpfen lassen, bevor man sie auseinanderziehe.
Eine kindlich brutale Analogie – und eine beunruhigende Verschiebung der Verantwortlichkeiten.
Merz ließ den Vergleich nicht unkommentiert stehen – sondern schaffte es, sich klar auf der Seite der Ukraine zu positionieren, ohne das hypersensible Ego Trumps anzugreifen.
Und als Trump plötzlich sagte, er sei eigentlich von niemandem der Freund – außer von Merz natürlich – kippte der Moment kurz ins Absurde.
Inszenierte Nähe eines Manipulators, der offenbar noch was von Deutschland möchte.
Ein Präsident, der sonst alle auf Abstand hält, erklärte ausgerechnet den deutschen Kanzler zum Freund.
Ein Trump-Moment mit Nachgeschmack, denn seine Haltung zum widerborstigen und die USA vampirgleich aussaugenden Europa hat er heute Nachmittag sicherlich nicht geändert.
Merz’ Strategie: Schmeicheln, setzen, stehen
Merz kam nicht mit leeren Händen.
Er überreichte Trump ein gerahmtes Faksimile der Geburtsurkunde von Trumps Großvater Friedrich Trump aus Kallstadt.
Ein symbolisches Geschenk, ein Zeichen von Kenntnis der Biografie und kluger Beziehungsgeste. Trump reagierte gerührt – und sichtlich geschmeichelt.
Gleichzeitig platzierte Merz seinen entscheidenden Punkt: Deutschland und Europa stünden an der Seite der Ukraine.
Er erklärte Trump zur Schlüsselfigur für ein mögliches Kriegsende – ohne moralische Oberlehrertöne, ohne offene Konfrontation.
Nicht einmal ein direkter Blick.
Aber eine klare Botschaft: Ohne Druck auf Putin wird es keinen gerechten Frieden geben.
Sein Verweis auf den 6. Juni – den D-Day – war historisch, präzise und unmissverständlich:
„Wir verdanken den Amerikanern viel. Das werden wir nie vergessen.“
Ein Satz mit Tiefenwirkung. Nicht pathetisch. Aber bedeutungsvoll. Und so wenig Merz auch an Redezeit bekam, wenn er die Chance bekam, nutzte er sie geschickt.
Was bleibt: keine Bühne, aber ein Draht
Es war Trumps Show – keine Frage. Doch Merz blieb aufrecht im Bild.
Er lächelte, hörte zu, wich nicht zurück.
Dass es keinen Eklat gab, war ein Erfolg. Dass Merz trotzdem seine Botschaft unterbringen konnte, ist mehr wert als jeder gespielte Konflikt.
Und seit heute wissen wir auch, wie es in Trump wirklich aussieht:
Trump, der wortreich erklärt, niemandes Freund zu sein – um sich zu Merz umzudrehen und zu sagen: "Außer du natürlich".
Eine Trump’sche Geste mit eingebauter Fallhöhe.
Aber auch ein Zeichen: Dieser Kanzler hat Zugang.
Ob daraus Verlässlichkeit wird, ist offen.
Aber der Anfang ist gemacht – und das ist in Zeiten wie diesen mehr, als man erwarten konnte.
Denn eines nehmen wir sicherlich aus der heutigen Oval-Office-Show mit:
Trump ist für die Ukraine wohl zu einem mindestens so großen Hindernis zum lang ersehnten Frieden geworden wie Putin.
Der eine bekämpft sie mit Waffen, der andere mit seiner unendlichen Oberflächlichkeit – und mit seinem eingefleischten Hang für grausame Autokraten.