🟥 Viel Lärm: Ablenkung vom Krieg und echter Hilfe

Selbsttäuschung und ein Streitgespräch über ein Manifest, das nicht zum Frieden führt
„Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben.“ — Willy Brandt
Neunzehnhundertneunzig – ich war jung, damals Radioreporterin, Mikro in der Hand, Presseausweis um den Hals, Herzklopfen.
Björn Engholm war in der Stadt, Wahlkampfhilfe für die SPD.
Ich war auf mein Interview vorbereitet – theoretisch. Aber nicht auf ihn.
Der Mann hatte Charisma, war rhetorisch stark, leise ironisch, gebildet.
Und ich war verführbar. Nicht als Frau – als politischer Mensch.
Ich wollte glauben: Hier steht die Zukunft der SPD vor mir.
Wenig später hatte ich mein rotes Büchlein.
Später stolperte Engholm über Halbwahrheiten.
Ich war enttäuscht. Aber ich lernte. Und zog Konsequenzen.
Genau das aber sehe ich heute bei vielen in der SPD nicht mehr:
die Fähigkeit, sich vom Irrtum zu trennen.
Stattdessen: ein Manifest, das der Republik schwer im Magen liegt –
und bei all denen auf offene Ohren stößt, die sich reflexartig nach einem sehnen:
nach Frieden.
Doch der wird nicht kommen. Nicht, solange wir weiter verdrängen.
„Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben.“
– Willy Brandt
So sprach einst das groĂźe Vorbild der Manifest-Schreiber.
Eigentlich eine unmissverständliche, klare Message.
Einige in der SPD scheinen sie nicht zu verstehen.
🎙 Viel Dezibel für hohle Phrasen
Paul Ronzheimer hat es versucht.
Ein Gespräch mit Ralf Stegner. Eine Stunde, viele Fragen, viele Zitate.
Doch was kam, war keine Diskussion.
Es war das rhetorische GebrĂĽlle einer Partei, die sich seit Jahrzehnten nicht ernsthaft selbst infrage gestellt hat.
Stegner unterbrach jedes Argument. Relativierte. FlĂĽchtete in Satzschleifen.
„Das steht so nicht drin.“
„Ich habe mit Diktatoren nichts am Hut.“
„Das ist eine Karikatur von dem, was ich sage.“
Wie soll man mit jemandem reden,
– der Diplomatie sagt, aber Verdrängung meint.
– der „Russland Verstehen“ ruft, dabei schlicht die Realität leugnet.
– der sich historisch erinnert, aber nichts verstanden hat.
Stegner spricht von „gemeinsamer Sicherheit mit Russland“, als sei Putin Gorbatschow.
Er zitiert Brandt – und übersieht, dass dessen Ostpolitik mit einer 3,5 %-BIP-starken Armee abgesichert war, bis Oberkante-Unterlippe.
Er redet, als wäre die Ukraine ein Störfaktor. Nicht das Opfer.
📄 Das Manifest – kein Signal, sondern ein Symptom
Am 11. Juni 2025 erschien ein „Friedensimpuls“.
Unterzeichnet von MĂĽtzenich, Peter Brandt, Julian Nida-RĂĽmelin und etwa 100 anderen,
die sich selbst als differenziert verstehen –
aber in Wahrheit nicht mehr fähig sind, Aggression als solche zu benennen.
Schon der erste Satz ist ein Rückzug aus der Realität:
„Der Krieg droht nach Europa zurückzukehren.“
Das steht da. Wirklich.
Als wäre Kyjiw nicht Europa – nicht Teil eines Kontinents, der längst brennt. Seit 2014.
Viele Sätze folgen.
Sie sind falsch. Und sie lenken vom Leid der Ukrainer ab.
- „Der Westen hat zur Eskalation beigetragen.“
- „Die Prinzipien von Helsinki wurden verletzt.“
- „Die NATO hat Russland provoziert.“
Kein Wort zum Budapester Memorandum.
Kein Wort zur systematischen Deportation ukrainischer Kinder.
Kein Wort zu Butscha, Isjum, Mariupol.
Stattdessen: historische Analogien, moralische Balanceakte, rhetorische Äquidistanz.
🗣 Was sie sagen – und was gesagt werden müsste
Sie sagen: „Wir müssen raus aus der Eskalationslogik.“
Ich sage: Die Eskalation begann mit einem Überfall – nicht mit unseren Waffenlieferungen.
Sie sagen: „Wir dürfen Russland nicht demütigen.“
Ich sage: Russland hat die Ukraine gedemütigt, geschändet, bombardiert.
Sie sagen: „Man muss doch reden.“
Ich sage: Mit einem, der keine Bedingungen akzeptiert, ist das kein Dialog – nur Selbstverleugnung.
Sie sagen: „Der Frieden muss wieder eine Option werden.“
Ich sage: Frieden ist kein Vorschlag. Er ist das Ergebnis von Gerechtigkeit – oder ein Deckmantel für Gewalt.
🤝 Die Unterschrift als Selbstentlastung
Dieses Manifest ist kein Denkfehler. Es ist ein Charakterporträt.
Es zeigt, wie schwer es ist, sich von alten Gewissheiten zu trennen.
Und wie leicht es ist, Verantwortung in Sprache zu verpacken, die nach Ethik klingt –
aber nach Kapitulation riecht.
Die Unterzeichner sind keine schlechten Menschen.
Aber sie wirken wie Figuren aus einer Zeit,
die nie gelernt hat, dass ein Krieg auch dann real ist,
wenn man sich moralisch ĂĽber ihn erhebt.
🔚 Was bleibt
Ich habe einmal an die SPD geglaubt.
Dann gab es viele GrĂĽnde, dass ich mein Parteibuch wieder abgab.
Heute kann ich kaum mehr nachvollziehen, wie ich diese Partei mal habe wählen können –
dass dort mal Politiker vereint waren, auf die die Welt geschaut hat.
Der Stegner-Auftritt im Podcast war kein Unfall.
Das Manifest war kein Ausrutscher.
Es ist Symptom eines politischen Denkens,
das lieber den Frieden beschwört, als den Täter benennt.
Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben, sagte Brandt.
Und Frieden wird nicht verteidigt von denen,
die nicht aussprechen, wer ihn zerstört, sage ich.