Widerstandskämpfer der Weißen Rose als Waschpulver der „russischen Seele“

Wie das Russische Haus in Berlin Alexander Schmorell für seine Propaganda missbraucht
Seit März läuft im Russischen Haus in Berlin eine Ausstellung – bisher weitgehend unter dem Radar, aber mit klarer politischer Botschaft: Ein Mythos wird inszeniert – unter offizieller Schirmherrschaft der russischen Botschaft:
„Die russische Seele der Weißen Rose“
Die Ausstellung basiert auf einem Buch, das 2013 unter demselben Titel erschien. Also halb so wild? Immerhin war es ein Historiker, der da schrieb – Igor Chramow, ein Russe.
Als Chramow 2013 seine Ausstellung zur Biografie Alexander Schmorells erstmals in München präsentierte, war Russland noch nicht im Krieg, die Krim noch nicht annektiert, die Ukraine intakt – und Putins Kulturkampagne stand gerade erst am Anfang.
Damals ließ man es durchgehen: ein Blick auf Schmorells orthodoxe Wurzeln, seine russischsprachige Kindheit, seine religiöse Prägung. Aus heutiger Perspektive wirft das allerdings deutlich mehr Fragen auf:
Alexander Schmorell war vier, als er mit seinem Vater aus Russland nach München emigrierte. Zwei, als seine russische Mutter starb – sie hatte ihn orthodox taufen lassen.
Sein Vater, ein deutscher Arzt, heiratete später eine deutsche Frau. Doch das russische Kindermädchen kam mit nach Deutschland und bemühte sich, die verstorbene Mutter zu ersetzen. So wuchs Alexander in einem deutsch-russischen Sprachumfeld auf – mit einer kulturellen Prägung, die viel mit Alltag, wenig mit Ideologie zu tun hatte.
Daher müssen wir uns heute mit einigem Zweifel die Frage stellen, inwieweit damit die „Russische Seele“ dermaßen in dem Kind Einzug genommen haben könnte, das ja ab dem vierten Lebensjahr in München sozialisiert wurde – um mit der „Russischen Seele“ dem Anliegen der Weißen Rose eine neue Blickrichtung zu geben.
Es führt aus heutiger Perspektive zu heftigem Kopfschütteln, auf eine solche Headline für seine Biografie zu kommen.
2013 sah die Welt eben noch anders aus. Die Ausstellung in München blieb auch die einzige in unserem Land.
Bis 2023 war Chramows Buch und die Ausstellung fast ausschließlich in Russland präsent – dort, wo der starke Fokus auf Schmorells russischer Identität kaum auf Widerstand stieß. Sobald aber international, auch in Europa und Deutschland, wieder über seine „russische Tiefe“ diskutiert wurde, entstand Handlungsdruck.
Zum 80. Jahrestag der Hinrichtung der Geschwister Scholl (Februar 1943) im Jahr 2023 rückte das Thema der historischen Erinnerung wieder stark ins Zentrum – auch in Gedenkveranstaltungen, in Gedenkstätten und in öffentlichen Debatten.
Die wiederauflebende Frage, was Erinnerung heute leisten muss, bewegte viele Akteure der Erinnerungskultur.
War die Biografie aus 2013 vielleicht doch eher eine Gefälligkeitsarbeit des Autors, um niemand Geringerem als Putin zuzuarbeiten?
Denn es klingelt einem allzu bekannt in den Ohren, was die vermeintlich „Russische Seele“ im Kreise der Weißen Rose eingebracht haben soll: seinen Glauben, seine Orthodoxie, seine Kultur.
Und wer wäre ein idealerer Zeuge für den vermeintlich tief verwurzelten antifaschistischen Impuls der „Russischen Seele“ als Alexander Schmorell – Mitglied der Widerstandsbewegung Weiße Rose, mit der Guillotine hingerichtet von den Nazis am 13. Juli 1943.
Dieses Opfer wird im Nachhinein als Fürsprecher Putins missbraucht, der ja bekanntlich die Ukraine vermeintlich von den Nazis befreien will – ganz im Sinne des Glaubens, der Orthodoxie und im Einklang mit der russischen Kultur, die auch in der Ukraine das Einzige ist, was dort zählen soll.
Und jetzt noch der Hammer:
Alexander Schmorell wurde 2012 von der Russisch-Orthodoxen Kirche im Ausland heiliggesprochen, unter dem Namen:
„Neumärtyrer Alexander von München“
Aus der Erinnerung an einen Widerstandskämpfer wurde so kurzerhand ein sakral überhöhter Mythos, der sich perfekt in Putins „Heilige-Mutter-Russland“-Narrativ einfügt.
Das ist kein Nebenaspekt – das ist Kern der propagandistischen Strategie.
Damals, 2013, hatte das in Deutschland wohl kaum jemand auf dem Schirm. Es konnte auch noch niemand ahnen, wie perfide Russland schon damals versuchte, mit Mitteln wie der Schmorell-Biografie in unsere Köpfe Einzug zu nehmen.
Jetzt, im Jahr 2025, ist das definitiv kein Beitrag zur Erinnerungskultur mehr.
Heute ist es ein gezielter Akt von Russland gelenkter Deutungshoheit.
Die Weiße Rose war kein Kult. Kein Kirchenchor. Kein Ort für Symbolpolitik.
Sie war ein letzter, mutiger Aufstand junger Menschen gegen ein totalitäres System.
Alexander Schmorell war einer von ihnen.
Erinnerung als Waffe
Die Ausstellung wird nicht irgendwo gezeigt – sondern im Russischen Haus in Berlin, einem Schaufenster der russischen Soft Power, das seit Jahren nichts anderes tut, als:
- Propaganda auf unauffällige Weise zu verbreiten
- Narrative zu verschieben
- Geschichte umzudeuten
Dass die jährliche Grundsteuer in Höhe von rund 70.000 Euro für dieses Gebäude aus Bundesmitteln beglichen wird, ist ein Skandal für sich.
Grundlage ist ein bilaterales Kulturabkommen von 2013.
Doch statt den Laden endlich dichtzumachen, lässt man ihn aus Angst weiterlaufen – weil Moskau im Gegenzug sonst den Stecker beim Goethe-Institut ziehen könnte.
Dabei ist dieses Institut in Russland längst zum Rekrutierungsbüro für hybride Kriegsführung geworden: ein Sprungbrett für jene, die im Staatsauftrag nach Deutschland wechseln – um hier bis in die letzte Ritze von Amtstuben und Wirtschaftsunternehmen vorzudringen.
Diese Ausstellung wird nicht zufällig jetzt reaktiviert – sondern gezielt:
Im vierten Jahr, in dem Russland sich wieder und wieder als antifaschistischer Befreier inszeniert – und nun auch Rückendeckung dafür vom derzeitigen US-Präsidenten Donald Trump erhält.
Der Sieg Russlands ist in den Köpfen des Kremls und seiner Propaganda-Filialen auf der ganzen Welt nahe –
zumal Trump selbst in Selenskyj den eigentlichen Verantwortlichen für den Krieg sieht und ihn bereits als „Diktator“ dämonisierte.
Ganz im Sinne des Kreml-Wordings, das nicht aufhört mit der Botschaft:
Russland müsse Europa erneut vom Faschismus erlösen.
Die Ausstellung soll offenbar ihren Beitrag dazu leisten, den in den vergangenen Jahren in Mitleidenschaft gezogenen Ruf Russlands wieder aufzupolieren.
„Die russische Seele der Weißen Rose.“
Was für ein perfider Zynismus.
Ein Opfer des Nationalsozialismus posthum zur Projektionsfläche imperialer Mythologie zu missbrauchen.
Nein, Herr Chramow. Nein, Russische Botschaft.
Schmorell war kein Vordenker russischer Tiefe.
Er war auch kein Prophet irgendeiner Orthodoxie.
Er war ein deutscher Student, der sich gegen jede Form von Totalitarismus stellte – egal welcher Herkunft.
Und genau darum ist er relevant.
Wer seine Geschichte zur Waffe eines faschistischen Systems gegen den Westen umfunktioniert, beraubt ihn seiner Würde.
Ihm wird damit das Entscheidende genommen: die Freiheit seiner Entscheidung.
Und das ist nichts anderes als eine zweite symbolische Exekution –
diesmal nicht durch das Fallbeil, sondern durch russische Propaganda im Jahre 2025 –
82 Jahre nach seinem Todesurteil.