Zeit, den Exorzisten anzurufen
Wie Religionswahn made in USA and Russia unsere Welt zerlegt – und warum wir auf Peter Thiel und JD Vance ein Auge haben sollten

Wie Religionswahn made in USA and Russia unsere Welt zerlegt – und warum wir auf Peter Thiel und JD Vance ein Auge haben sollten
Im Deutschlandfunk sorgt gerade der hörenswerte Podcast „Die Peter Thiel Story“ für Furore. Zurecht. Denn der Sechsteiler leitet her, wie der Tech-Milliardär Peter Thiel zum Strippenzieher hinter dem kulturellen Rechtsruck in den USA wurde und zu einem der wichtigsten Unterstützer von Donald Trump. Klingt nach Verschwörung. Stimmt.
Wer aber wissen will, was in Thiels Kleinhirn vorgeht und warum das Ganze höllisch an Russland erinnert, der kann hier gerne mit mir in einen Kaninchenbau hinabsteigen, in dem religiöser Wahn nur einen Schritt davon entfernt ist, im Westen wie im Osten die Weltherrschaft zu übernehmen.
Schauen wir hierfür kurz auf die aktuelle Lage:
In den USA herrscht Chaos – nicht symbolisch, sondern buchstäblich – und das nicht erst seit heute.
Trump und Musk prügeln sich öffentlich in den sozialen Netzwerken.
ICE-Agenten zerren wahllos Menschen von der Straße, weil sie „lateinamerikanisch aussehen“.
2.000 Soldaten der Nationalgarde sind nach Los Angeles beordert, auf direkten Befehl eines Präsidenten, der im Januar noch Demokratie versprach – und nun den Ausnahmezustand auslebt.
Zeitgleich eskaliert Putins Krieg gegen die Ukraine auf eine neue, noch grausamere Stufe: jede Nacht neue Bombenteppiche, neue Verletzte, neue tote Kinder ohne Namen. Und über allem das schaurige Raunen anonymer „Experten“, die den großen Vergeltungsschlag erst noch erwarten – irgendwann, bald, unausweichlich.
Der restliche Westen?
Zögert. Taktiert. Und liefert endlose Diskussionen statt Entschlossenheit.
Trump, seit wenigen Wochen wieder Präsident, hat dem von ihm hochverehrten Putin bislang alles durchgewunken. Denn: „Die Ukraine hat’s doch selbst provoziert!“
Und zwar mit einer militärischen Aktion auf ein militärisches Ziel.
Während Russland Wohnhäuser zerbombt und Kindergärten ins Visier nimmt.
Trump und Putin drehen die Welt vom Westen und Osten aus gerade ganz schön durch die Mangel. Das ist aber nicht das Einzige, was sie gemeinsam haben.
Denn beide sind in ihrem Universum quasi die Auserwählten. Fragt sich nur, von wem – und ob es nicht doch einen anderen Auserwählten gibt:
Macht durch Irrglaube – nicht durch Glauben an Gott
Es ist kein Zufall, dass die beiden aktuell wohl gefährlichsten Männer der Welt sich heute auf Kirchenbänken segnen lassen. Während der eine seinen Staat in Angst versetzt und der andere seinen Nachbarn in Asche legt.
Putin, gesalbt vom Patriarchen Kyrill, nennt sein Russland das letzte Bollwerk gegen den moralischen Verfall des Westens. Er lässt töten, deportieren, vergewaltigen – und nennt es Erlösung vom Satanismus der Ukraine und ihrer Drahtzieher im Westen.
Trump braucht keinen Patriarchen – aber weltlicher ist er deswegen nicht, er hat schließlich seine Evangelikalen. Und Peter Thiel im Hintergrund. Der inzwischen aussortierte Musk stand bis ins Weiße Haus an der Rampe. Vance an der Flanke.
Was beide Systeme eint:
Sie geben vor, an Gott zu glauben – dabei glauben sie nur an die Wirkmacht des Glaubens.
An Ordnung. An Gehorsam. An das große Reinemachen.
Hüben wie drüben ist Religion Teil der Strategie zur absoluten Macht der Wenigen. Russland ist dabei einen Schritt voraus. Die USA könnten aber schon bald überholen.
Steigen wir daher nun endgültig hinab in die wahren Abgründe einer Geisteswelt, die irrsinnig klingt, aber offenbar dabei ist, sich in real existierende Politik zu verwandeln.
JD Vance ist in Wahrheit „der Katechon“ – und Peter Thiel weiß, was er mit ihm bezweckt
Alle reden über Peter Thiel. Und es klingt inzwischen fast schon wie früher bei Soros oder Gates. Thiel ist der neue Verschwörer in der Matrix, der heimliche Herrscher im Hintergrund. Diesmal geht es aber um keine NGO, keinen Impfstoff, kein Open Society Network. Es ist etwas viel Mächtigeres. Thiel hat anders als in den bisherigen Verschwörungserzählungen es bis an die Spitze gebracht: Er hat immerhin den Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten in Amt und Würden gesetzt.
Aber: JD Vance ist in Thiels Plan nicht einfach nur Trumps Vize. Er ist schließlich seine Erfindung, daher zu höherem erkoren. Sein politisches Kunstwesen, geschmiedet aus Yale-Ambitionen, christlicher Selbsterlösung und einer ideologischen Dauerverbindung zum ultrakonservativen Teil der US-Katholiken, mit Erfahrungen aus einem zerrütteten Elternhaus.
Und ja – Thiel und Vance haben obendrein gemeinsam eine App entwickelt. Kein Witz.
Halo. Eine Gebets-App. Für Katholiken. Mit täglichem Audio-Rosenkranz. Und Millionen und Abermillionen an Abonnenten. Klingt harmlos? Vielleicht. Doch die Idee dahinter ist es nicht. Hier haben zwei Männer zusammengefunden, die von einem künftigen Gottesstaat träumen – oder was sie dafür halten.
Denn Thiel hat mit Vance große Pläne, die vielleicht noch schneller Wirklichkeit werden, als es sich der Tech-Milliardär selbst erträumt hat.
Denn was, wenn JD Vance nicht nur Vize bleibt? Wenn Trump doch noch über ein mögliches drittes Impeachment stolpert oder über den Zahn der Zeit seines doch fortgeschrittenen Alters?
Schon in der Schule war er ein Überflieger, ein Nerd. Thiel ist jedenfalls keiner, der auf den Zufall setzt.
Er denkt langfristig. Er denkt apokalyptisch. Er hat längst alles vorbereitet. Für seinen Mann an der Spitze. Für den Katechon, wie er es sagt.
Katechon, what?
Ja, klingt abgefahren. Wer sich aber mit der katholischen Rechten beschäftigt, kennt den Begriff: Der Katechon ist jene Figur, die laut Apostel Paulus den Antichristen zurückhält – bis seine Zeit gekommen ist. Ziel ist es in Thiels geistiger Utopie einen solchen „Aufhalter“ einzusetzen – eben JD Vance, der die Welt dann vermeintlich zusammenhält, damit sie nicht ins Chaos stürzt. Und genau das, wonach sich viele christliche Fundamentalisten in den USA geradezu sehnen. Dafür können sie auch Evangelikale sein, auch wenn Thiels Idee von der Idee katholisch verbrämt ist, die von einem König träumt. Vielleicht wäre dann die älteste Demokratie der Welt erstmals eine Monarchie mit König James Donald Bowman aus dem Geschlechte der Vance auf dem Thron.
Thiels will Vance als starken Mann installieren, damit er für eine heilige Ordnung sorgt. Für ein Reich Gottes auf Erden – gegen Woke, gegen Frauenrechte, gegen Liberalismus, gegen Vielfalt. JD Vance ist dafür der perfekte Kandidat: gläubig, ideologisch weichgekocht, dankbar. Und – vor allem – formbar.
Peter Thiel hat in der Vergangenheit immer wieder auf das Scheitern der Demokratie hingewiesen. Er hält sie für überholt, ineffizient, unfähig, den Untergang aufzuhalten. Seine Vision: Eine technologisch- und religiös verbrämte Aristokratie. Eine neue Elite, die nicht nur weiß ist, sondern weiß, was richtig ist. Und richtet, in Namen des Vaters, im Namen des Sohnes in Form eines Königs und des Geistes, mit Peter Thiel als Ideengeber, der aber offenbar selbst lieber in der zweiten Reihe bleibt.
Endlich Schluss mit den Zeiten gewählter Volksvertreter – es braucht einen Erwählten. Von Gott. Vom Markt. Oder gleich von beiden. Aber katholisch muss er sein, natürlich – und Trump ist das nicht!
Es wirkt fast wie ein Treppenwitz der Geschichte – vielleicht ist es sogar ein Zeichen, dass ausgerechnet jetzt, wo Thiel & Vance in den Startlöchern ihrer katholischen Revolution stehen, ein amerikanischer Papst gewählt wurde.
Leo XIV. – ein US-Amerikaner mit lateinamerikanischen Wurzeln, aufgewachsen in den Schattenseiten der US-Gesellschaft. Dieser Papst will jedoch alles andere als einen Gottesstaat auf Erden. Er spricht von Gerechtigkeit. Von Armut. Von Gewaltenteilung. Von Frieden für alle. Er kennt Silicon Valley und seine Wölfe.
Was für ein Symbol! Der neue Papst aus den USA – als Antithese zu den irrgläubigen US-Katholiken, die den Glauben als Zepter einer kommenden Monarchie sehen. Als Brandbeschleuniger einer autoritären Ordnung, die alles verweigert, was Christus eigentlich gelehrt hat.
Die große Frage ist aber: Wer wird am Ende gewinnen, wer ist schneller: Das Antichristen-Team Thiel-Vance, der Papst im Vatikan oder Putin mit Patriarch Kyrill im Gefolge, der vom Osten den neuen russischen Gottesstaat mit ihm als Kreml-Zaren von Wladiwostok bis zum Atlantik ausrollt?
Sollte nicht bald ein erfolgversprechender Exorzist gefunden werden, könnte es vielleicht nicht dumm sein, schon mal solche Kutten auf Vorrat zu nähen, so „Handmaid’s Tale“-mäßige, die könnten passen.
Für das, was dann kommt.
Damit die Peitschenhiebe nicht ganz so hart auf der nackten Haut aufschlagen.
Vielleicht versuchen wir es dann auch mit dem, was die Katholiken allsonntäglich beten: Mit einem „Herr, erbarme dich unser“.
Vielleicht sagt auch noch schnell jemand in unserer Regierung Bescheid, dass die Super-duper-Überwachungs-Software Palantir von Peter Thiel für unseren Staat möglicherweise doch nicht ganz so eine tolle Idee ist.
Zum Podcast bitte hier entlang: https://www.deutschlandfunk.de/die-peter-thiel-story-100.html