Angst als Waffe – und wer sie im Westen trägt

Angst als Waffe – und wer sie im Westen trägt

Ralf Stegner wehrt sich. Mit Nachdruck. Gegen einen Satz, den Markus Lanz ihm vorhält - und der Stegners vermeintliche Rolle als Mahner für Frieden und Abrüstung entlarvt.

Der Satz heißt:

„Durch bestehende Kanäle muss der Druck verstärkt werden, um die Angst deutscher Bürger vor einem möglichen Konflikt zwischen der NATO und Russland zu schüren.“- Alexei Anatoljewitsch Gromyko– Alexei Anatoljewitsch Gromyko

Gromyko ist ein enger Vertrauter Putins und Direktor am Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften. Er gehört zu den Personen, die Stegner in Baku getroffen hat. Dieser Satz klingt, als stamme er direkt aus einem geleakten russischen Strategiepapier.

Oder aus dem neuen Bericht des Institute for the Study of War (ISW), das am 30. Juni 2025 seine Analyse zur russischen kognitiven Kriegsführung veröffentlicht hat.

Darin heißt es sinngemäß: Russland will westliche Gesellschaften nicht nur mit Bomben, sondern mit Gedankenwaffen treffen. Und das funktioniert am besten, wenn die Erzählung aus dem Westen selbst kommt – über glaubwürdige Stimmen, demokratische Kanäle, Parteien, Talkshows.

Der ISW-Bericht beschreibt, wie Russland gezielt westliche Kanäle – Medien, Konferenzen, Einzelpersonen – nutzt, um das Denken seiner Gegner zu beeinflussen und deren Handlungsfähigkeit zu untergraben. Der Trick: Die Erzählung soll nicht aus Moskau kommen, sondern aus dem Westen selbst – von Stimmen, die als glaubwürdig gelten.

Und genau hier wird es unangenehm für Stegner.

Denn dieser Mann – einst SPD-Vize, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, heute noch Bundestagsabgeordneter und Mitautor des „Friedensmanifests“ – bedient genau dieses Narrativ. Ob bewusst oder nicht.


Was tut Stegner nach seinen Reisen nach Baku?

Er tritt in Interviews auf, gibt sich als Mahner, der verhindern will, dass Deutschland in einen Krieg hineinschlittert.
Er warnt vor „Alarmrhetorik“, vor einer „Aufrüstungsspirale“, vor einem „Scheitern der Diplomatie“.

Klingt vernünftig. Klingt staatsmännisch.

Aber es folgt einem gefährlichen Muster.

In seinem „Manifest für eine neue Friedenssicherung“, das er gemeinsam mit Rolf Mützenich, Norbert Walter-Borjans und anderen SPD-Genossen unterzeichnet hat, heißt es:

„Militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit, sondern verstärken die wechselseitige Bedrohungswahrnehmung zwischen Nato und Russland.“
„Notwendig ist ein strategisches Interesse an einem zukünftigen Miteinander mit Russland.“

Zwar nennt das Manifest den russischen Angriff völkerrechtswidrig – aber gleich im nächsten Atemzug mit dem Irakkrieg und dem NATO-Einsatz in Serbien in eine historische Gemengelage eingebettet. Die klare Verantwortung verschwimmt.

Was dort nicht steht:
Dass russische Truppen ukrainische Atomkraftwerke als Schutzschilde missbrauchen.
Dass Kinder deportiert, Zivilisten beschossen, Städte ausgelöscht und Friedensgespräche systematisch sabotiert wurden - wobei der Westen bereits vor Beginn des Krieges alles unternommen hatte, um mit Putin zu reden. Nur er will es nicht, auch nicht heute, selbst wenn er es immer wieder vorgibt.

Was sich liest wie ein Plädoyer für Abrüstung, wirkt wie eine Abrissbirne für die Glaubwürdigkeit der deutschen Ukrainepolitik.

Die Vermeidung klarer Sprache ist kein Zufall. Sie ist Methode.


Vom Manifest zur Wirkung – und zurück

Niemand muss ein Propagandist sein, um zum Träger strategischer Erzählungen zu werden. Genau das ist das Prinzip kognitiver Kriegsführung. Sie funktioniert dann besonders gut, wenn der Überbringer gar nicht weiß, dass er im System spielt.

Stegner schürt Angst vor Eskalation.
Er ruft nach Abrüstung in einem Moment, in dem die Ukraine unter täglichem Beschuss steht.
Er stellt die NATO als Teil des Problems dar – nicht als Rückgrat westlicher Sicherheit.
Er verfasst Manifeste, in denen Russlands Aggression kaum sichtbar ist, die leidende Ukraine wie eine diplomatische Variable erscheint, aber die NATO als Sicherheitsrisiko ins Zentrum rückt.

Putins beste Helfer sitzen nicht in Uniformen. Sie sprechen in Talkshows, unterschreiben Manifeste und wirken – oft ohne es zu merken – genau dort, wo Zweifel und Angst besonders wirksam sind.


Ein Satz bleibt stehen:

„Über bestehende Kanäle müsse die Angst beim deutschen Bürger vor einem Krieg zwischen der NATO und Russland geschürt werden.“

Manchmal ist die Frage nicht, ob man ein Kanal ist.
Sondern, was durch einen hindurchfließt.
Hinweis: Der gefährlichste Verbündete des Kreml ist nicht etwa der radikale Rechte – sondern der in Talkshows oft gesehene und respektierte Zweifler.

 


📄 Quellen & Kontext:
– [ISW-Bericht zur russischen kognitiven Kriegsführung, 30. Juni 2025]


– [SPD-Manifest „Für eine neue Friedenssicherung“, Juni 2025]


– [ZDF-Sendung „Markus Lanz“, 1. Juli 2025, Auftritt Ralf Stegner]

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